Seiler's Werbeblog

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Werbewoche: Anne-Friederike Heinrich

Anne-Friederike Heinrich «Mit der Werbewoche in neue Gewässer»

Anne-Friederike Heinrich leitet seit Oktober 2014 als Chedredaktorin die Redaktion der Werbewoche. Die Journalistin mit abgeschlossenem Germanistik-Studium erzählt uns, wie hart sie der Tod von Pierre C. Meier (langjähriger Chefredaktor der Werbewoche) getroffen hat und wohin sie mit der Werbewoche in Zukunft hinsteuern möchte. Die Mutter zweier Buben ist inmitten der Neupositionierung des Blattes und Online-Portals. Das Resultat wird es nach der Sommerpause zu sehen geben. Zusätzlich verrät uns Anne-Friederike Heinrich wie bedeutend der Titel «Werber des Jahres» weiterhin ist, wie sie zur Frauenquote in der Medienbranche steht und welche Werbekampagne ihr den Start in das neue Jahr versüsst hat.

1. Die Neupositionierung der Werbewoche steht an. Können Sie uns schon mehr dazu verraten? Was unsere Leser und Abonnenten nach unserer Sommerpause erwartet, ist eine ganz neue Werbewoche: Zuallererst einmal werden wir endlich mobile; auch die Gestaltung und Bedienung der Werbewoche wird moderner, zeitgemäss sein. Wichtig ist aber auch, was bleibt: Wir werden weiterhin auf allen Kanälen – Print, im Newsletter und Online – hochwertige, gut geschriebene Hintergrundinformationen über unsere Branche bieten. Unsere Inhaber der «Lizenz zum Lesen» erhalten vornehmlich exklusive Berichterstattung auf ihren Wunschkanälen – also Print und/oder Digital –, alle anderen Rezipienten bekommen schnelle, qualifizierte Informationen über Werbung, Marketing und Kommunikation per Newsletter oder auf Werbewoche.ch.

2. Sie haben vor einiger Zeit eine Online-Kundenumfrage gemacht. Was waren die Erkenntnisse? Ich gehe davon aus, dass das Resultat wichtiger Bestandteil für die Neuausrichtung der Werbewoche ist?
Richtig, unsere Kundenumfrage im vergangenen Jahr diente schon dem Sammeln von Leser-Inputs für unseren Relaunch. Die Ergebnisse haben uns aber weniger in irgendeiner Hinsicht überrascht, als vielmehr in unserer eigenen Ansicht bestätigt: Die Werbewoche wird als wichtiges Branchenmedium hoch geschätzt und gebraucht. Sie muss endlich mobile rezipierbar sein. Das Design wäre zu modernisieren und die Typo der Druckausgabe muss leserlicher werden. Wir waren sehr erfreut, dass unsere Pläne für die «neue» Werbewoche sich im Wesentlichen mit den Ergebnissen der Leserumfrage und den Wünschen unserer Leser deckten. Das hatte ich in dieser Klarheit nicht erwartet.

3. Wo möchten Sie mit der Werbewoche hin? Wird die Werbewoche das halten, was sie im Namen verspricht? Wird die Werbung weiterhin im Fokus stehen?
Der Name Werbewoche ist aus dem ursprünglichen Plan, eine «Werbers Woche» zu produzieren, entstanden. Im Laufe der Zeit – die Werbewoche ist immerhin schon 43 Jahre alt – kamen aber immer mehr Medien- und Kommunikationsthemen dazu. Und so ist die Werbewoche inzwischen eine Fachpublikation für Werber, Marketingfachleute, Verkäufer, Gestalter und Produktionsfachleute sowie Medienvertreter geworden. Diesen Zuschnitt und die thematische Vielfalt wollen wir beibehalten, ohne dass sich der Name Werbewoche, der zur Marke geworden ist, ändern müsste. Unser Fokus richtet sich auf die «Köpfe in der Kommunikation», wie unser Untertitel seit Anfang 2015 pointiert.

Werbewoche_Koepfe_der_Kommunikation

4. Auch das Wahlverfahren zur Bestimmung des Werbewoche-Werber des Jahres ist ab diesem Jahr anders. Wie sehen die Änderungen aus? Was sind die Gründe?
Der Werbewoche-Werber des Jahres wurde seit 1977 in der bekannten Form ausgewählt und gekürt, also seit fast 40 Jahren. Und auch wenn etwas gut und etabliert ist, muss es zuweilen überdacht werden. Deshalb habe ich das Jurierungsverfahren angepasst und die Jury neu aufgestellt, vor allem, um den Wettbewerb transparenter zu machen und auch junge Nachwuchskreative mit in den Auswahlprozess einzubeziehen. In Zukunft werden nicht mehr alle ehemaligen Werbewoche-Werber des Jahres dazu aufgerufen sein, Vorschläge für den nächsten Preisträger einzureichen, sondern nur noch die letzten acht. Ausserdem wählen Jury und Werbewoche in jedem Jahr vier junge Köpfe der Branche aus, die bereits durch herausragende kreative Leistungen aufgefallen sind. Sie gehören ein Jahr lang der Jury an. Und da die Ernennung des Werbewoche-Werbers des Jahres 2016 im Rahmen des «Tags der Werbung» am 27. Mai in Lausanne stattfinden wird, haben wir zusätzlich zwei Vertreter der französischen Schweiz in die Jury eingeladen. So haben wir geballte Kreativkraft zusammen, die einen würdigen Werbewoche-Werber des Jahres 2016 finden wird. Die Laudatio auf den neuen Preisträger wird bei der feierlichen Bekanntgabe der Siegerin oder des Siegers in Zukunft der letztjährige Werbewoche-Werber des Jahres halten. Der Preisträger 2016 wird also von Curdin Janett gekürt werden.

5. Wie bedeutend ist der Titel Werbewoche-Werber des Jahres noch?
Er hat immer noch eine hohe Relevanz. Das sieht man nicht nur an den Rückmeldungen zu unserer Leserumfrage und den sehr positiven Reaktionen auf die angekündigten Änderungen, sondern auch an der Häufigkeit, mit der die Werbewoche-Werber des Jahres in allen Medien zitiert werden und dabei dieser Titel erwähnt wird. Aber auch beim Werbewoche-Werber des Jahres war es meiner Meinung nach Zeit, den Anschluss an das Hier und Jetzt zu finden und Weichen für die Zukunft zu stellen. Und ich denke, mit den beschriebenen Änderungen sind wir nun auf gutem Kurs.

6. Die Werbewoche existiert auf beiden Kanälen d.h. in Print und Online. Als was sehen Sie die Werbewoche selber: als Zeitung oder eher als Online-Portal?
Die Werbewoche ist eine Fachpublikation, die Sie künftig in gedruckter Form komplett oder als Einzelartikel, digital und/oder als Newsletter beziehen können. Auf welchem Kanal das von der Werbewoche bereitgestellte Wissen von unseren Lesern rezipiert wird, ist der Redaktion eigentlich egal und gänzlich dem Leser überlassen. Der einzige Unterschied, der in Zukunft noch bestehen wird, ist der zwischen Inhabern unserer «Lizenz zum Lesen» und denen, die sie nicht haben. Unsere zahlenden Leser erhalten schnelle und exklusive Informationen auf dem von ihnen gewählten Kanal, die nicht zahlenden Leser der Werbewoche das Branchengrundwissen per Newsletter oder über einen Teil davon auch über Werbewoche.ch.

Anne-Friederike Heinrich Werbewoche

7. Sie sind Chefredakteurin und Mutter zweier Kinder. Wie vereinbaren Sie all diese Aufgaben? Eine gute Frage, die ich mir oft selbst stelle. All das geht nur mit grossem Engagement, grosser Leidenschaft und viel Liebe – zu meiner Familie und meinen Söhnen und zu meinem Beruf. Aber ich könnte beide Vollblut-Aufgaben nicht stemmen, wenn nicht mein Mann mich stark bei der Betreuung unserer Jungs unterstützen würde, obwohl er selbst eine Leitungsposition in der Industrie bekleidet. Und auch unsere beiden Buben, so klein sie sind, helfen mit, dass die Organisation unseres Familienalltags gut gelingt … auch wenn schon der kleinste Schnupfen die beste Planung ins Wanken bringen kann. Ausserdem mache ich die Werbewoche zum Glück nicht alleine, sondern ich habe ein zwar kleines, aber starkes und sehr engagiertes Team hinter und neben mir. Redaktion und Verkauf bringen 200-prozentigen Einsatz. Und so halten wir die Werbewoche auf gutem Kurs.

8. Thema Frauenquote: wie stark sind die Frauen in der Medienbranche vertreten? Ist es richtig, wenn ich behaupte, dass gerade die Medienbranche diesbezüglich vorbildlich ist?
Was ist schon vorbildlich? Es arbeiten viele Frauen in der Medienbranche, das stimmt. Aber auch hier ist es wie überall: Je weiter oben Sie suchen, desto weniger Damen treffen Sie an. Und das liegt daran, dass in dem Moment, in dem sich eine Frau für eine Familie entscheidet, sie häufig erkennen muss, dass in der Theorie ihr Beruf und eine Familie vielleicht gut zusammengingen – aber in der Praxis eben doch nicht. Weil der Mann immer noch mehr verdient als sie und es deshalb besser ist, dass er 100 Prozent Gehalt heimbringt. Weil sich Arbeitgeber immer noch schwertun, Familie als wesentlichen Teil ihrer Arbeitnehmer anzuerkennen und zu unterstützen, denn in Unternehmen arbeiten Menschen, nicht Jobabsolvierer. Und weil sich Frauen in unserer Gesellschaft, die Mütter werden, entscheiden müssen, ob sie entweder als Hausfraumutterputzfrau und Nicht-kadergeeignet wahrgenommen werden wollen, oder als Karrieretussi und Rabenmama, die ihre Kinder in der Krippe abgibt. Eine gute Mutter, die gleichzeitig eine gute Führungskraft ist, eine gute Chefin, die gleichzeitig liebevolle Mami ist, geht offenbar immer noch nicht in die Köpfe der führenden Herren und Damen. Die Medienbranche wäre sicher prädestiniert dafür, gut ausgebildeten Frauen die Chance zu geben, das Mutterwerden nicht zum Karriereknick werden zu lassen. Und zwar nicht unter Aufbietung all ihrer körperlichen und geistigen und organisatorischen Kräfte, sondern mit Freude und Leichtigkeit. Die Schweiz ist in dieser Hinsicht aber leider immer noch ein Entwicklungsland ohne Entwicklungshelfer.

9. Sie selber haben ein Germanistik-Studium absolviert. Was raten Sie jungen Menschen, welche in die Medienbranche einsteigen und sich journalistisch betätigen möchten? Muss es immer ein Studium sein oder gibt es auch andere Wege, die man einschlagen kann?
Ich habe nicht Germanistik studiert, weil ich in die Medienbranche wollte, sondern weil ich mich für Literatur und Sprache interessiere. Dass ich Journalistin werden will, kristallisierte sich erst am Ende meines Studiums heraus, als ich begann, als Freie für die Regionalzeitung zu schreiben und vom Sog dieser Tätigkeit erfasst wurde. Ich rate jungen Leuten: Macht unbedingt, was Euch Spass macht. Denn nur dann ist man richtig gut und hat lange Freude an der Tätigkeit. Welcher Beruf sich aus der Ausbildung am Ende entwickelt, ist am Anfang völlig egal. Und wer jetzt schon sicher ist, dass er Journalist werden will, dem rate ich zu einem Fachstudium oder einer Fachausbildung. Denn wer schreiben kann, kann schreiben. Diese Fähigkeit kann man feilen und schleifen, aber nicht lernen. Ich halte deshalb wenig von einem Publizistikstudium. Sinnvoller ist die Vertiefung in einem Fachgebiet, das später einmal das Ressort werden könnte, für das man tätig ist.

10. Gibt es eine Persönlichkeit in der Branche, welche Ihnen nachhaltig Eindruck gemacht hat? Mein Vorgänger Pierre C. Meier.

11. Im Oktober 2014 wurden Sie nach dem tragischen Tod von Pierre C. Meier früher als vorgesehen Chefredakteurin. Dies war mit Bestimmtheit keine einfache Zeit?
Das stimmt. Pierres Tod war für mich sowohl menschlich als auch fachlich ein grosser Verlust. Es war, als ich Mitte 2014 nach drei Jahren Mutterpause wieder zur Werbewoche zurückkam, zwar geplant, dass ich die Chefredaktion von Pierre übernehme – aber nicht so rasch, nicht mit einem 40-Prozent-Pensum und natürlich unter anderen Bedingungen. Pierre starb an einem Freitag, am darauffolgenden Freitag sollte die Werbewoche erscheinen. Ich und die gesamte Redaktion standen nach der Todesnachricht unter Schock. Wir waren wie gelähmt. Und nun war es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Werbewoche weiter erscheint – und das völlig ohne Einführung oder Unterstützung. Was mir dabei half, in dieser Situation mich und die Redaktion dazu zu bringen, weiterzumachen, war einzig der Gedanke, dass Pierre es nicht verstanden hätte, wenn plötzlich alle Räder stillstehen. Und die Werbewoche erschien. Mit grosser Resonanz. Es war furchtbar, nach Pierres Verlust einfach weitermachen zu müssen. Aber das hat die Redaktion und das gesamte Team auch stark zusammengeschweisst. Nach alledem wussten wir: Wenn wir an einem Strick ziehen, können wir jede Hürde nehmen. Das war in all der Trauer auch ein gutes Gefühl.

12. Wie stark darf sich eine Chefredakteurin der Werbewoche exponieren? Laufen Sie jeweils Gefahr, wenn Sie offen Ihre Meinung kundtun? Zum Beispiel eine Werbekampagne kritisieren?
Ich bin Journalistin. Ich laufe meines Erachtens Gefahr, wenn ich meine Meinung nicht kundtue. Dass man mit seiner Meinung auch einmal jemandem auf die Füsse tritt, der die Sache anders sieht, ist völlig normal und nicht schlimm. Sofern man seine Meinung gut begründen kann. Sofern man ausgewogen berichtet. Und sofern man mit Kritik umgehen und es auch zugeben kann, wenn man mal einen Fehler gemacht hat. Authentizität ist das höchste Gebot – das heisst natürlich nicht rüpeln, was das Zeug hält. Aber ehrlich seine Meinung sagen muss drin sein. Sonst versinkt man selbst und auch die Publikation, die man vertritt, in der Profillosigkeit.

13. Ein Blick in die Zukunft: der Online-Kanal wird immer wichtiger. Wie sieht die Schweizer Medienlandschaft in 5 Jahren aus?
Wenn ich das genau wüsste, wäre ich längst reich und hätte eine Farm in Kanada. Doch ich denke, dass selbst Printanhänger wie ich sich in fünf Jahren nicht mehr über sich selbst wundern werden, wenn sie ihre tägliche Informationsdosis vor allem mobile konsumieren. Ausserdem glaube ich, dass Medienhäuser mehr als heute Möglichkeiten der Zusammenarbeit eruieren müssen – nicht, um miteinander zu verschmelzen, sondern im Gegenteil, um in bestimmten Bereichen ihre Unabhängigkeit zu sichern.

14. Sind die Schweizer Medienhäuser für die Zukunft gewappnet?
Ich denke, sie sind nicht so schlecht aufgestellt, wie gerne geunkt wird. Aber im Moment gibt es auch noch kein Patentrezept, das als Prototyp für das Bestehen im digitalen Wandel gelten könnte. Und der ist die zentrale Herausforderung der kommenden Monate. Der Kern wird sicher sein, das Kanaldenken – Print versus Online – endlich aufzugeben und sich als Medienmarke zu begreifen, die ihre Leser bestmöglich auf dem Laufenden hält, unterhält und immer wieder überrascht. Nur wenn wir uns als Marken etablieren, ohne die der Leser nicht mehr sein möchte, können wir wieder Umsätze generieren, aus Abonnements und/oder Werbung. Jedes Medienhaus muss seinen eigenen Weg finden, wie es diese Herausforderung stemmt.

15. Welche Werbekampagne gefällt Ihnen aktuell am besten? Warum?
Da fallen mir spontan zwei ein: Zum einen das Salt-Sujet zum Jahreswechsel «2015 heisst jetzt 2016», das unbemüht und humorvoll an die Salt-Kampagne von 2015 anknüpfte und dem Betrachter das Gefühl vermittelte, dass das Unternehmen nicht nur Telekommunikation verkaufen will, sondern den Dialog und die Bindung an seine Kunden sucht. Ein sehr unerwarteter und sympatischer Schachzug, mein Kompliment dafür an Publicis. Und dann natürlich die Lapp-Tec-Kampagne der Agentur am Flughafen, die beim «Jahr der Werbung 2016» Bronze gewonnen hat. Ein so sperriges Thema wie Kunststoffspritzguss in Sujets zu verwandeln, bei denen man sich auf eine kindliche Entdeckungsreise begibt, ist ein Kunstgriff.

Salt von Publicis:

Publicis_Salt_Neujahr


Lapp Tec von der Agentur am Flughafen:

Lapptec_Agentur_am_Flughafen

© Yves Seiler

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