Seiler's Werbeblog

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Stella Artois

Michael Kathe «Stella Artois und die Liebe zum Kino»

Seit den achtziger Jahren wurde Stella Artois durch die berühmte „Reassuringly expensive“-Kampagne ins Bewusstsein der Werbenation England gerückt. Über Jahrzehnte war das eine klare Positionierung, ein klares Statement – doch daneben führte die Biermarke in ihren TV- und Kino-Spots immer auch ein Leben neben der Positionierung: ein Leben für die Liebe zum Kino. Und alles begann mit der Suche nach einer „Heritage“.

A reassuringly brilliant campaign.
In den letzten Monaten haben sich immer mehr grosse Biermarken mit ihren Spots in die Vergangenheit geflüchtet. So zeigte etwa Anheuser-Busch Anfang Jahr eine Immigrantenstory aus dem 19. Jahrhundert, die als schöner Affront gegen die frische Regierung Trump gelesen wurde: Zwei Einwanderer – Anheuser und Busch – erfüllen sich ihren Traum vom eigenen Bier in den USA. Natürlich steht hinter dieser Geschichte mehr. Die grossen, internationalen Biermarken stehen heute vor der Herausforderung, ihren Markt gegen immer neue kleine, lokale Biere zu verteidigen. In Zeiten des Slow Food wie der Renationalisierung (bzw. Re-Regionalisierung) sollen ein grosser Gründungsmythos und eine grosse Geschichte das Vertrauen in eine grosse Marke erhalten.

Geht es um die Pflege der eigenen Heritage, hat eins der grossen Biere schon eine lange Tradition: Stella Artois, die belgische Biermarke. Zwei einschneidende Daten prägten ihre Geschichte vielleicht mehr als andere. Seit 1336 existiert die Brauerei „Den Horen“, und seit 1981 trat sie mit einer der berühmtesten Werbekampagnen ins Bewusstsein eines Massenpublikums. Mit dem Stella-Artois-Bieraccount gründete Frank Lowe seine eigene Agentur und mit dem Claim „Reassuringly expensive“ sicherte er sich auch gleich einen Eintrag in die (nicht existenten) Werbegeschichtsbücher.

As simple as that: Stella Artois wurde Anfang der Achtziger als ein etwas zu teures Importbier wahrgenommen – und mit seinem Claim drehte Lowe den Nachteil in einen vermeintlichen Vorteil: Teuer als Zeichen besserer Qualität. Darauf baute die Printwerbung auf.

Stella-Artois-My-Shout

Die Frankophilie des belgischen Biers.
Im Film ging man einen etwas anderen Weg. Hier kam erstmals die Herkunft ins Spiel, wenn auch gemogelt: Das belgische Bier verkaufte sich in England mit einem französischen Kinoerfolg der Achtziger: „Jean de Florette“ von Claude Berri mit Yves Montand, Gérard Dépardieu und Daniel Auteuil ist ein Erbschaftsdrama, das sich auf ländlichen Grundstücken in der Provence entfaltet. Lowes klassischer Spot nimmt beinahe dieselben Locations, ähnliche Charaktere und die quasi identische, typische Mundharmonikamusik als Grundlage seines Spots. Dem englischen Konsumenten wurde der Spot in Französisch ohne Untertitel vorgesetzt. Die filmische Eleganz des Spots und das leicht verschrobene, aber lebensfrohe Französische veredelte Stella Artois zu einem Erstklassbier und den Spot zum Klassiker:


In den Neunziger Jahren bröckelte das Image des exklusiven, teuren Biers, als in England Massenbesäufnisse und Hooligangewalt oft mit Stella Artois in Verbindung gebracht wurden. Stella, das mit seinen 5,2 Vol.% über dem britischen Schnitt von 4,7 Vol.% lag. Das führte dazu, dass man irgendwann alles zu eliminieren versuchte, was das Bier mit Besäufnissen und Gewalt in Verbindung brachte, so auch Claim und Art der Werbung. Die eleganten, cineastischen Geschichten der French Countryside hatten langsam ausgedient.

Im folgenden Spot von 2001 wird ersichtlich, wie wenig sich das Kinoerlebnis in 15 Jahren „Stella Artois“-Spots geändert hatte – bis hin zur selben Musik. Über Jahre wurden immer neue wunderschöne frankophile Geschichten um Begehrlichkeit und Neid erzählt:


Die neuen Facetten des (französischen) Kinos.
2007 unternahm Stella Artois dann einen grossen Versuch, das Image zu modernisieren. Die (frankophile) Heritage wurde nun ausgeweitet, modernisiert und parallel dazu noch stärker historisiert. Der (belastete) Claim „Reassuringly expensive“ wurde aufgegeben und nicht zuletzt versuchte man mit einer erweiterten Produktepalette, das Image des schwer alkoholhaltigen Biers abzubauen. Mit einem Lager von 4 Vol.% und einem Cidre. Was die Kampagne allerdings nie aufgegeben hat, ist die Liebe zum Kino – und diese Liebe vermittelt immer auch Geschichtsbewusstsein und Heritage.

Am berühmtesten sind dafür wohl die „Ice Skating Priests“, im Jahr 2005 von Starregisseur Johnathan Glazer in Szene gesetzt. Sie führen zurück ins Mittelalter und geben dem Bier somit wohl die längste Geschichte, die ein Lebensmittel-Konsumprodukt heute erhalten kann:


Auch wenn neuere Spots nicht immer das filmische Level von Glazer / Lowe erreichen, so orientieren sie sich doch immer an historischen Werten wie dem Stolz des Gründers:

Selbst Lifestyle wird immer „wie im Kino“ umgesetzt. Der Spot für Stella Artois Cidre von Wim Wenders aus dem Jahr 2013 jedenfalls zeigt einen klassischen Patron der Sixties, stellt ihn in die geniessende Oberschicht, die sich lediglich für das eigene Produkt interessiert, weil es einen Teil ihres Dolce Vita ausmacht:

Überhaupt, die Fünfziger und Sechziger Jahre: Sie entpuppen sich als Reservoir für alle möglichen, heute oft ungebräuchlichen Stilmittel, die sich einfach mit Eleganz und Lifestyle aufladen lassen. Stella Artois bedient sich des Retrochics, der in den letzten 10 Jahren in so vielen künstlerischen Sparten (Musik, Design etc.) zu einem der vorherrschenden Trends avancierte – das allerdings im Film nicht schaffte. Die Eleganz der Spots manifestiert sich auf unterschiedliche Weise. Von Adrian Brody, der in einem Endfünfziger-Jazzclub Torchsongs zum besten gibt, über eine Frau, die zu einer wunderschönen Version des Songs „Black Orpheus“ ein Date mit sich selber kredenzt, bis hin zu charmanten „Wie man Bier stilvoll trinkt“-Lernvideos oder Style-Filmen in klassischem Splitscreen, wie wir sie aus Doris-Day- oder Audrey-Hepburn-Filmen kennen:

Doch der filmisch überraschendste und überragendste Spot, „Dial Hard“, orientiert sich an einigen der Nouvelle Vague-Stilmittel des Regiegottes aller Intellektuellen und Barrikadenstürmer der Pariser Studentenschaft von und vor 68, an Jean-Luc Godard:

Eine Sammlung von Stella Artois Spots.

„Jean de Florette“-Geschichten des französischen Landlebens:

Der Urspot „Jean de Florette“:


Nach dem zweiten Weltkrieg:

Der sterbende Vater (R: Jonathan Glazer):

Während dem 1. Weltkrieg:

Aus dem Mittelalter („Ice skating priests“, R. Jonathan Glazer):

Das Velorennen:

Schweinchen-Akrobatik:

Cidre Lifestyle of the rich.

Patron auf dem Weg zur Party (R: Wim Wenders):


Ein Spot wie ein Duett von Gainsbourg und Bardot:

Vive le Cidre:

Geschichtstunde.

Die Story des jungen Sebastian Artois:


Die Geschichte von Isabella Artois:

Die Geschichte des Stella Artois Weihnachtsbiers:

Lifestyle der 50ties und 60ties:

Brunnen:


Der Weihnachtswettbewerb:

Die Sixties-Playboy-Wohnung:

The perfect date („Black Orpheus“):

Adrian Brody singt einen Torchsong:

Quest ist einer der schönsten Spots, mit atemberaubend schönem Chanson:

Hommage an Godard:

How to drink in Style-Filme:

Wettstreit der Kellner:


The perfect Serve: Da will jeder Mann Kellner sein:

Preparation. Split Screen, Chanson, Badewann:

©Michael Kathe

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