Seiler's Werbeblog

Wir schreiben über Werbung

Michael Kathe: Seiler's Werbeblog

Michael Kathe «Michael rezensiert #4»

Die beliebte Kolumne «Michael rezensiert» geht in die vierte Runde. Der Kreative und Partner von Seiler’s Werbeblog hat einmal mehr spannende Kampagnen aus dem Hut gezaubert und dabei seine pointierte Meinung dazu geschrieben. Vorhang auf für Runde 4!

** Dixie: Deadzone Diners.
Das Prinzip der Pop-up-Stores, die wie Pilze aus dem Boden poppen, ist einfach: ein kurzfristiger, provisorischer Einkaufsladen, oft in einem vorübergehend leerstehenden Gebäude. Holt in der Zwischenzeit kaum noch jemanden hinterm Busch hervor oder – anders gesagt – ist jetzt reif dafür, Mainstream zu werden. Wie das gehen kann, zeigt die Agentur Droga 5 mit ihrer Idee: um Menschen wieder wirklich zusammen zu bringen, platziert der Geschirrhersteller Dixie in Los Angeles für ein paar Tage improvisierte Diners an Orten, die kein Handynetz haben: Deadzones. Da kann man sich aufs Essen (gratis!) und Konversieren konzentrieren – und das unter dem unglaublich raffinierten Claim „Be more here“.

Dass Droga 5 diese Trennung zwischen virtueller und realer Welt im Stil der 50er Jahre filmen, ist nicht ganz zufällig und hat nur teilweise mit dem Diner zu tun, einem Produkt der Fifties. Die 50er Jahre stehen in den USA auch für die heile Welt vor Hippies, HipHop und Hispanics, für genau diese vermeintlich heile Welt, die auch ohne Smartphones auskam. Die Popup-Deadzone von Dixie ist also mehr als nur ein Pop-up-Restaurant: sie wird zum mythischen Ort, an dem alles noch „wie früher“ und also besser war.

**Pepsi 1893 Soda Sommelier.
Einen Softdrink geniessen, als wäre es ein Wein, oder ein edler Cognac. Die Idee ist eigentlich sehr einfach und haut einen eigentlich aus den Socken. Unser Pepsi-Sommelier kann auch nicht widerstehen und trinkt nicht nur das eigene Glas leer, sondern auch die seiner Mit-Tester. Gut wird der Spot aber erst durch seine gesellschaftliche Sprengkraft: Denn „Pepsi 1893“ schmeckt so gut, weil es „made of real sugar“ ist, mit echtem Zucker!

Das sagt Pepsi in einer Welt, in der die Welt der Softdrinks immer Zucker ersetzender und zuckerloser werden. In der Zucker zum grössten Feind der Gesellschaft geworden ist, gefühlt noch schlimmer als Kokain, Sexsucht und rotes Fleisch.

***Coca Cola lässt Jordan Spieth im Trailer.
Der Spot zum diesjährigen Sommer, der ein Regensommer ist. Auch auf dem Filmset für Coke siehts nicht gut aus: Golfstar Jordan Spieth kann den Spot nicht abdrehen, weil es draussen regnet. Also entsteht bei ihm diese Kreativität, die sich manchmal aus purer Langeweile ergibt (das ist die lustige Kreativität) – und er beehrt das Innere seines Trailers mit seiner grossen Golfkunst. Indem er alle Bälle in alle möglichen Löcher schlägt – und natürlich immer trifft. Die ganze Golfstory wird (natürlich) durch eine Colaflasche ausgelöst und immer wieder durch Coca Colas inspiriert – bis schliesslich die ganze Dynamik des Einlochens, des Schnitts, der Vermischung des Musikscores („I can’t stand the rain“ in der rhythmisch-vertrackten Version von Missy Elliott) und der Sounds der Golfbälle eine wunderbare, understatement-mässig choreagrafierte Eigendynamik der Filmbilder ergibt, als wäre Jacques Tati Pate gestanden.

Und ja, der Spot ist ein Spot auf Metaebene: Wenn wegen Regen kein Film gedreht werden kann, wird ein Film übers Filmmachen gedreht.


© Michael Kathe

Show More

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.