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Christian Rätsch «Big Data»

Big Data – keine Lizenz zum Kopf und Bauch ausschalten
Gleich zu Beginn Klartext: Big Data ist wunderbar! Insbesondere, wenn die Datenanalyse Leben verlängert. Daher bin ich ein Fan, dass beispielsweise alles Wissen von Krebskrankheiten zu Forschungszwecken nutzbar gemacht wird. Der Analyseerfolg bleibt offen, aber alleine das Engagement hilft vielleicht dem genialen Zufall zum Erfolg. Und ich habe von Statistikern gelernt, dass in stabilen Umgebungen Datenanalysen durchaus zu hoher Treffsicherheit führen können. Aber eben nur in stabilen Verhältnissen.

Im Marketing und in unserer Ideenbranche geht es allerdings immer darum, das Stabile zu erschüttern, Neues zu prägen, Menschen zu überraschen. Eben, Loyalität jenseits der Vernunft zu erreichen, Menschen zu umgarnen, und mit Wahrhaftigkeit und Sympathie erfolgreich zu sein. Und genau hier sehe ich die Grenzen von Big Data.

Datenanalysen sind immer der Versuch, aus der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen. Gerade und glücklicherweise weil die Zukunft ungewiss ist, gibt es das Grundbedürfnis, Risiko zu minimieren und Prognose-Sicherheit zu schaffen. Doch darin liegt die Gefahr, insbesondere für das Marketing. Entscheidungen werden aus einer durchschnittlichen Betrachtung der Vergangenheit getroffen oder abgesichert. Damit verlernen die Produktmanager und Vermarkter ihre ureigene Stärke: Instinkt und Imagination.

Insbesondere wenn wir Kommunikation den Algorithmen überlassen und den Sinn der Marken und deren Kommunikation Excel-Sheets opfern, verstecken wir uns hinter Scheinargumenten und entscheiden defensiv. Solch Selbstschutz kann kurzfristig zwar Entscheidungen plausibilisieren und absichern, mittelfristig jedoch den Erfolg gefährden. In der Managementlehre spricht man vom «defensiven Entscheiden» – eine der typischen Konzernkrankheiten. Aus Angst, dass eine Initiative scheitert, entscheidet man sich für das datengestützte Mittelmaß, verhindert so aber echte Erfolgsgeschichten.

In Zeiten, in denen wir voller Bewunderung Start-up-Unternehmen beklatschen, die mit Geschwindigkeit, Passion und Unternehmertum, aber auch einer gehörigen Portion Anspruch neue Märkte erobern, in Zeiten, in denen «disruptiv» (geht auf Clayton M. Christensen / Harvard zurück) zum magischen Managementanspruch erhoben wird, ist es eigentlich unverständlich, dass professionelle Marketingmanager der Hypothese nachlaufen, Big Data könne ihre Probleme lösen.

Daten liefern keine Insights
Big Data fehlt eine Kernfunktion des Marketings: «Insights» generieren, mit denen ich Werte schöpfen kann. Ohne das tiefe Verständnis von Bedürfnissen, Gefühlen und Erwartungen reduziert die Technologie Ergebnisse auf Scheinrelevanz. Dabei ist Relevanz auch nicht der Schlüssel zum Erfolg. Vertrauen, Glaubwürdigkeit und auch Empathie sind die Schlüsselfaktoren heutiger Markterfolge.

Unternehmen und Marken sind gefordert, im höchsten Maße glaubwürdig zu sein und eine Haltung einzunehmen. Statt bloßer Argumente zählen zunehmend die soften Fakten. Menschen verbinden und identifizieren sich nicht mit Leistungsmerkmalen, sondern schaffen Bindung durch geteilte Werte.

Der MP3-Player wurde von Karlheinz Brandenburg erfunden. Verliebt haben wir uns aber in den iPod von Appel. Der Kaffee bei Starbucks schmeckt eher durchschnittlich, aber dennoch zahle ich gerne ein kleines Vermögen. Meinem lokalen Fußballverein halte ich Treue, auf der Tabelle steht aber ein anderer Club oben.

Marken gehören zukünftig auch den Menschen und nicht den Firmen alleine. Die Unternehmen, die Menschen nicht kontrollieren wollen, sondern Menschen befähigen (neudeutsch: «Empowering»), verdienen Anerkennung und werden getragen von einer loyalen Gemeinschaft. Daher muss insbesondere in der Marktbearbeitung Big Data zu „Big Inspiration“ werden.

Big Inspiration statt Bevormundung
Die Gefahr von Big Data im Marketing liegt darin, zu bevormunden: Durch das unreflektierte digitale Zuspielen von Kommunikation und Angeboten fühlen sich Nutzer zunehmend verfolgt. Wie durch Mailings in unseren Briefkästen gelernt, entsteht eine unterbewusste Abneigung und eine pauschale Vorverurteilung gegen das ungefragte Zuspielen von Botschaften. In zunehmendem Maße wird digitales Stalking zu einer Reaktanz führen, die auch der eigenen Marke schadet. Buchempfehlungen auf Amazon sind ja ganz nett, aber wenn ich selbst surfe, bekomme ich immer Bücher von einem anderen Mann namens Christian Rätsch angezeigt. Er ist Ethnopharmakologe, Experte für Drogen und Schamanismus. Nicht gerade eine große Schnittmenge zu meiner Profession.

Um Daten überhaupt nutzbar zu machen, bedarf es daher eines Abgleichs der aktuellen Situation, des Kontextes jedes Kontaktes. Und genau diese Datenhäufung liegt quasi nie ausreichend vor. Kommt es doch zu einer validen Datengrundlage, verfehlt zumeist die Markenansprache, weil Botschaften pauschal vorgehalten werden, statt emphatisch und inspirierend zu überzeugen. Big Data muss also zu Big Inspiration werden. Ein Datenrückspiegel war noch nie ein guter Ratgeber für Innovationen. Big Data kann wohl bei der Zielgruppenidentifikation helfen aber danach zählt Empathie statt Kommunikationsstandard. Denn die Big Data-Maschine kann zwar die Zeilen lesen, aber auf keinen Fall dazwischen.

Über Christian Rätsch «Experte für Digitalisierung»
Mein Name ist Christian Rätsch und mich begeistert die Vereinfachung des Lebens durch Digitalisierung. Meine Leidenschaft für das digitale Leben und Arbeiten verbinde ich mit zehn Jahren Berufserfahrung als Marketingleiter bei der Telekom und zehn Jahren Unternehmensberatung im Bereich Markenstrategie und Markenkommunikation.

Als Experte für die Digitalisierung bestehender Abläufe behandele ich – branchenübergreifend – Themen wie Markenmanagement, Markenkommunikation, Reputation im Internet, vernetztes Arbeiten und vor allem Social Media für Unternehmen.

«Kommunikation auf den Punkt» zu bringen ist mein größtes Anliegen. Daher präsentiere ich in diesem Blog Ideen und Gedanken für Unternehmen, die erkannt haben, dass kein Weg an der Digitalisierung vorbei führt. In einfachen Worten möchte ich traditionell geprägten Unternehmen durch fokussierte Informationen die unternehmerischen Chancen des Internets näher bringen.

Tätigkeiten
Christian Rätsch sammelte erste Berufserfahrungen bei den Werbeagenturen Grey und EURO RSCG, wo er die Ausbildung zum Werbekaufmann abschloss. Im Anschluss beriet er gemeinsam mit einem Partner Unternehmen in Kommunikation. Wichtigster Kunde war der Gesamtverband Werbeagenturen e.V. (GWA). Aus dieser Zeit stammt z.B. die Werbenachwuchs-Fibel «Werbung macht reich, berühmt und sexy».

Sein BWL-Studium mit Schwerpunkt Marketing und Unternehmensführung an der Humboldt Universität zu Berlin absolvierte Rätsch bei den Professoren Albach und Plinke in kürzester Zeit. Zurück in der Berufspraxis schloss sich Rätsch BBDO Consulting, einer neu gegründeten Unternehmensberatung der Agenturgruppe BBDO, an. Nationale und internationale Beratungsprojekte deutscher DAX-Konzerne im Bereich strategische Markenführung und Kommunikation runden seine Marketingerfahrung ab.

Dem Ruf eines Kunden folgend baute Rätsch zuletzt als Leiter Corporate Marketing and Communications beim ICT Unternehmen T-Systems International die Marke und die Marketingorganisation auf. Unter seiner Führung konnte das Unternehmen wesentliche Marketing- und Kommunikationspreise für sich beanspruchen. Mit seinem Wechsel zur Telekom Deutschland verantwortete Rätsch das Marketing für den Geschäftskunden-Massenmarkt. In einem hart umkämpften Markt sicherte er dem Unternehmen die Marktführerschaft, entwickelte erfolgreiche Produkte und baute die Vertriebskanäle weiter aus.

Nachdem Christian Rätsch als Referent, Berater und Moderator Unternehmen auf ihrem Weg in die Digitalisierung unterstützt hat, ist er heute CEO von Saatchi & Saatchi Deutschland. Seinem Motto «Kommunikation auf den Punkt» zu bringen, sieht er sich nach wie vor verpflichtet.

 

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