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Anti_Trump

Michael Kathe «Anti-Trumpvertising»

Weshalb sollte sich ein Unternehmen öffentlich und in der Werbung gegen einen gewählten US-Präsidenten stellen? Was unvorstellbar erscheint, nimmt in den USA nach der Wahl von Donald Trump Gestalt an. Grosse nationale und internationale Firmen stellen sich nicht nur in Statements hinter die Politik des neuen, in Teilen scharf nationalökonomischen Lenkers, sondern auch ebenso deutlich dagegen. Das verhält sich nicht zwingend ganz klar der Linie entlang der wirtschaftlichen Ausrichtung, doch traditionell liberal denkende Konzerne wie die Silicon-Valley-Unternehmen haben sich mit dem cleveren Trick eines gemeinsamen Briefs gegen die Zuwanderungspolitik Trumps gewendet (u.a. Apple, Google, Uber, Dropbox … you name them). So halten sich sich Trumpsche Angriffe gegen einzelne Firmen vom Leib.

Überraschend ist es trotzdem, dass grosse Firmen auch ihre Werbegelder für mehr oder minder direkte politische Aussagen einsetzen. Zum einen erklärt sich das durch die in den USA oft weiterreichender als in Europa akzeptierte Redefreiheit (so äussern sich auch Sportler, Sporttrainer, Schauspieler dezidiert zum neuen Präsidenten), andererseits dürfte es neben der moralischen Verantwortung, die inzwischen viele Konzerne in ihren Markenkern aufgenommen haben, auch um die wirtschaftliche Interessen oder Zielgruppen gehen.

Wer nun aber erwarten würde, dass grosse Konzerne und Brands mit Anti-Trump-Werbeaktionen ein paar richtig lustige Lacher auf ihr Konto verbuchen wollen, der sollte sich besser auf die täglichen US-Comedians wie Trevor Noah („Daily Show“) oder Seth Meyers („A Closer Look“) stürzen. Die sind schamlos, angriffig und durchgeknallt-lustig. Und das jeden Tag von Neuem. Und so lange Donald Trump fleissig in die Weltgeschichte tweetet, und so lange er es weiterhin so krachen lässt mit seinem Personal, sorgt er auch täglich für einen unglaublichen Scherbenhaufen an Witzen.

Dass sich Weltkonzerne ausserhalb Kaliforniens der Politik Trumps entgegenstellen, zumindest indirekt, ist in jedem einzelnen Fall ein sehr interessanter Entscheid. Brands wie Coca Cola wollen sich durch eine Haltung auszeichnen, und die scheint nun in Teilen der Gesellschaft gefragter denn je. Die Firma aus Atlanta zeigte zum Super Bowl nicht nur Haltung, sondern bewahrte sie gar, indem sie exakt denselben Spot ausstrahlte, den sie bereits 2014 zum Super Bowl präsentiert hatten. Eine mehrsprachige Version des ergreifenden, patriotischen (Songs) „America the Beautiful“. Viele Kulturen, viele Sprachen sogar, viele Gesichter. Das, was wir immer gelernt haben, gilt auch heute: Die USA sind ein Melting Pot of Nations. Gleicher Spot, andere Bedeutung: Sieht man den Spot 2017, fühlt er sich nicht mehr so kuschelig an. Sondern wird zum Statement gegen einen aktuellen Politiktrend. Den Spot heute auszustrahlen ist mutiger geworden als 2014 und bedeutet uns: Coca Cola ist nicht ein Windfähnchen, sondern steht dazu, was vor 3 Jahren war.


Übrigens sprang Coca Cola 2014 nicht einfach auf den Multikulti-Trend auf, sondern hat sich das Multikulturelle spätestens seit den Achtundsechzigern schon einverleibt. Ersichtlich in einem der berühmtesten Coca-Cola-Spots überhaupt: „I’d like to buy the world a coke“ von 1971. Das gefühlt wohl „globalste“ Unternehmen der Welt kann nicht anders, als weltweit alle Menschen mit etwas Kaufkraft zu umarmen. Wer den Klassiker noch nicht kennt:

Rassismus ist dasjenige Thema in Trumps Agenda, das die meisten Konzerne umtreibt. Offenbar rechnet man damit, dass ein deutliches Statement gegen Rassismus mehr Sympathien als Shitstorms hervorrruft. Air B’n’B tut dies sehr deutlich mit einer Kampagne, die nicht nur zufällig an die United Colors of Benetton-Kampagne der Neunziger erinnert.

Etwas tiefer als Coca Cola und Air B’n’B graben Budweiser und 84 Lumber. Budweiser zeigt, dass im Kern des amerikanischen Wirtschaftserfolgs sehr oft (bzw. in diesem Fall) Immigration steckt. Im Bud-Superbowl-Spot sieht man Adolphus Busch unter widrigsten Bedingungen in die USA einreisen. Er reist the hard way durch die USA („Go back home!“), bis er Eberhard Anheuser trifft und sie das berühmte Bier zu brauen beginnen. Die Energie, die von Immigranten kommt, und die Heritage der Biermarke sind die Beweggründe, weshalb sich die Budweiser (Anheuser-Busch) gegen den herrschenden Rechtstrend stemmen.

Der Abbinder „When nothing stops your dream, this is the beer to drink“ mag etwas hingebogen sein, und Immigration als Wirtschaftsfaktor ist ein gängiges Argument globalisierter Marken, doch dass sich ein Konzern bereits in diesem frühen Stadium politischer Wende auf den Wert seiner Herkunft beruft, ist ungewöhnlich.

Ein deutliches Statement gegen die Mauer und Immigration stammt vom Baumaterialienhändler 84 Lumber. Da ausgerechnet Fox in diesem Jahr die Übertragungsrechte für den Superbowl inne hatte, verwundert es nicht, dass das deutliche Statement gegen die Mauer vom rechtsgerichteten Fernsehsender abgelehnt, bzw. nur in einer gekürzten, mauer- und pointenlosen Fassung wieder gegeben wurde. Wer den ganzen Spot ansieht, wird nicht nur durch eine herzerweichende Geschichte geführt, sondern auch von einer raffinierten Auflösung überrascht.


Den „halben“ Spot, d.h. die zum Teaser gewordene Superbowl-Ausstrahlung auf Fox, sehen Sie hier:

Anfang Februar äussert sich nun der CEO der Sportmarke Under Armour, Kevin Plank, positiv zu Trumps Wirtschaftspolitik, worauf sich gleich eine Kohorte Sportler, die von Under Armour gesponsert werden, bemüssigt fühlt, sich gegen diese Aussagen zu stellen – unter ihnen Ex-Wrestler-jetzt-Schauspieler Dwayne ‚The Rock’ Johnson. Nachdem sich Kevin Plank in der Folge tagelang in immer offensiverer Schadensbegrenzung übte („We stand firmly for equal rights. We believe that immigration is a source of strength, diversity and innovation for global companies based in America like Under Armour.“), haut der Nike-Spot mit Superstars Serena Williams, Alicia Keys, Basketballstar LeBron James oder der lesbischen US-Fussball-Nationalspielerin Megan Rapinoe zeitgleich in die richtige Kerbe.

Welche Haltung – pro oder contra Trump – wirtschaftlich gesehen die bessere ist, muss sich noch zeigen Die Sportartikelanbieterindustrie hat wohl eher ein delikates Verhältnis zu einer nationalökonomischen Politik, sind doch Handelsgrenzen und U.S.-heimische Fertigungsjobs ein gewichtiges Thema für die globalisiert produzierenden und operierenden Unternehmen. Im andern gewichtigen Thema, der Käufergruppe, die auch bei Under Armour meist jung und liberal ist, hat sich Nike, der Konzern aus der alternativen Hochburg Portland OR, wohl erst einmal mehr Credibility eingeheimst.
© Michael Kathe

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