Seiler's Werbeblog

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Axe

Michael Kathe «Men’s Liberation, now sponsored by Axe»

Is it okay for Axe to liberate men?
Ein neuer Spot für Axe untermauert, dass der Brand sich auch in Zukunft für Männerbilder abseits der Klischees stark machen will. Wird Männlichkeit vielschichtiger?

Vor allem in Ländern mit grosser Rezession und Arbeitslosigkeit werden immer öfter Stimmen laut, die ein Überdenken des tradierten Männerbildes als Ernährer fordern. Eine immer grössere Anzahl Männer in psychischen und materiellen Notlagen (die Arbeitslosenquote beträgt in mehreren EU-Ländern um die 20%) findet kein adäquates Verhaltensmuster und reagiert mit Gewalt oder Depression auf ihre Situation.

Auch der gesellschaftliche Konsens führte in den letzten Jahrzehnten nicht in eine progressivere Richtung. Alles, was ausserhalb der Norm war wurde als „schwul“ diffamiert. „Schwul“ als Inbegriff für weiblich, schwach, soft. Ein Mann hat entweder ein smarter Anzugsträger oder ein Muskeltyp im Wifebeater-Shirt zu sein.

Lange in diese Kerbe gehauen hat auch die Kosmetikmarke Axe, die den sexuellen Erfolg bei Frauen als raison d’être der Männlichkeit hochstiliserte. Das Deodorant wurde zum reinen Lockstoff, zu einem Parfüm erhoben – weil es bei einem richtigen Mann nicht um die Unsicherheit des Körpergeruchs gehen darf, sondern höchstens darum, sein männliches Selbstbewusstsein zu unterstreichen. Auch wenn manchmal etwas Ironie durchblitzte, änderte das nichts am eindimensionalen Männerbild:


Doch seit Januar 2016 ist alles anders bei Axe. Mit dem Wechsel von der Werbeagentur BBH zu 72andSunny werden keine Männer- und Frauenklischees mehr abgenudelt. Ein breiteres, realistischeres Männerbild wird in den Fokus gerückt. All das, was in der Gesellschaft schnell als „schwul“ abgestempelt wird und das Männer genauso in eine Schablone zwingt wie andere Dinge Frauen, soll in Frage gestellt und vom Tisch gewischt werden. Im Einführungsspot vor einem Jahr zeigte Axe gleich in der Eingangsszene das gängige Männerideal noch einmal und stellte es in Frage: „Wer braucht schon ein Sixpack, wenn er eine Hakennase hat?“

„Find your magic“ ist eine Aufforderung zum Individualismus. Auch dazu, sich seine Stärken selber zu suchen und daran zu glauben. Eigenständigkeit als sexual attractor. Wobei das neue Selbstbewusstsein sich nicht mehr nur über den Erfolg bei Frauen manifestiert. Hauptbotschaft ist lediglich, ein von gesellschaftlichen Zwängen gelösteres Leben zu führen. Im Rollstuhl, auf High Heels, im scharfen Anzug, als Katzenfreund, mit Liebe zur Naturwissenschaft, mit verrückten Aktionen. Damit schafft Axe einen emotionalen (Frei-)Raum, in dem das Deodorant, das Lösen von moralischen Zwängen und das bestätigende Gefühl eine neue Einheit bilden. Die emotionale Einheit eines Love Brands, der heute viel effizienter bewertet wird als die Lacher der letzten 10 Jahre.

Spots wie die Axe-Spots funktionieren dabei wie Popsongs: sie vermitteln mit ihren Lyrics und der „Welt“ die sie erschaffen, ein Gefühl, das bestätigt und aufpusht. Bis in die Achtziger Jahre hinein trugen Popsongs den Kern zur Veränderung des Einzelnen in sich. Dass das heute gewisse Werbespots übernehmen könnten, ist punktuell durchaus möglich. Somit wäre Werbung nicht nur an jedem Ort der Aussenwelt angekommen, sondern bereits in unserem Inneren. Unsere Werte, now sponsored by Axe. Trotzdem bleibt im Fall von Axe zu hoffen, dass sich das Leben von jungen Männern tatsächlich von rigiden Stereotypen löst.

Dove, ebenfalls ein Pflegemittel von Unilever, hat bei Frauen auf ähnliche Weise vorgemacht, dass diese Art der Werbung zu einer stärkeren Bindung an einen Brand führt. Dove hat diesen emotionalen Raum bereits geschaffen, der Frauen zu mehr Selbstbewusstsein führen will. Mit dem aktuellen Spot signalisiert Axe, diesen Weg noch konsequenter weiter zu gehen.

Was der Spot fertig bringt (im Gegensatz zum ersten), ist, heikle Themen direkt zu benennen: Darf man dem weiblichen Geschlecht zeigen, dass man sexuell unerfahren ist? Kann man homosexuelle Erfahrungen machen? Pinke Kleidung tragen? Muss Mann Sport lieben? Darf man Angst zeigen, depressiv sein und – schönste Frage, die Löffelstellung betreffend – „is it okay for me to be the little spoon“?


Am Ende des Spots („These are real questions guys are searching every day“) werden die Zuschauer nun auch inhaltlich weiter geführt. Auf überraschende Art, aus Markenführungs-Sicht. Denn weiterführende Inhalte, mit denen die Bindung zur Marke intensiviert wird, sucht man auf der Website vergebens. Wer genauer wissen will, ob es okay ist, pink zu tragen, solle doch googeln: „Is it okay for guys to wear pink“.

Ist das nun den Aufwand gescheut oder ist es auf raffinierte Art noch „ehrlicher“ von diesem Brand, Antworten nicht schulmeisterlich selber zu verhandeln, sondern dem vielstimmigen Internet zu übergeben?

©Text: Michael Kathe

 

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