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Michael Kathe: Seiler's Werbeblog

Michael Kathe «Michael rezensiert #5»

Einmal mehr hat Michael Kathe pointierte Analysen geschrieben. Schon zum fünften Mal analysiert er unter «Michael rezensiert» treffsicher Werbespots, welche die Welt bewegen oder bewegen sollen.
Vorhang auf für Runde 5!

***Belize: A curious place / Tacos
Call it coolness or hipness – es ist jedenfalls faszinierend, wie dieser Spot funktioniert. Eine Frau röllelet Tacos in einem atemberaubenden Tempo. Wir sehen gebannt zu und hören beinahe beiläufig noch die Off-Stimme in gebrochenem Englisch über die Vorzüge der Feriendestination Bélize plaudern: hier gibts keinen Burger-Krieg, keine Drive-through-Fenster, keine Spielzeuge und Spielplätze, keine Giant-Size-Drinks, keine … (in der Zwischenzeit hat die Frau vier Tacos gerollt, entspannt, aber atemberaubend schnell) … „but that doesn’t mean we don’t have fast food, my friend“. Pointierter, witziger und vor allem authentischer ist das Zusammenspiel von promptem Service und tropischem Lebensstil wohl noch nie dargelegt worden (falls diese Kombination überhaupt je dargelegt wurde).

„Tacos“ ist der beste der zwar billig produzierten, aber cleveren „Bélize A curious place“-Spots, doch auch die anderen sind sehenswert (insbesondere „Feet on a beach“).

**Ikea: Every other week
Das Gute an Ikea ist nicht nur, dass man Kinderzimmer einrichten kann, in denen sich ein Kind völlig wohl und aufgehoben fühlt. So wohl, dass es höchst ungern sein Zimmer in Mamas Haus verlässt und fürs Wochenende zum Vater fährt, bzw. für die Folgewoche, denn wir befinden uns ja in Schweden mit paritätischer Kinderaufteilung. Es sei denn, und das ist das zweite Gute an Ikea: selbst der ärmere Vater in seiner Wohnung kann sich die gesamte und identische Wohnungseinrichtung von Ikea leisten, die der Junge bei der Mutter hat (jaja, hier wird das Vorurteil bedient, dass Männer nach der Trennung ärmer sind).

Endlich dreht eine grosse Marke endlich einmal einen emotionalen Sport mit Trennungspaaren und -kindern. Das braucht Mut, ist aber bei einer Menge von rund 50% getrennten Paaren nicht nur längst zielgruppenrelevant, sondern auch glaubwürdiger als die heilen Familienwelten der Werbung. Das hier ist eben „Where life happens“ und macht Ikea gleich viel glaubwürdiger zu einem Lovebrand.

***Aldi: Like Brands. Only cheaper
Vergleichende Preise und Produkte kann man nur mit absurdem Witz noch etwas Neues abgewinnen. Bei Aldi sind die Produkte ganz deutlich rechts und links im Bild präsentiert, mit Preisen. Der Rest ist absurd: Kakerlaken besprechen Insektensprays , ein Restaurant-Tellerwäscher zerbirst selber wie Porzellan, eine Maus mit Beinbruch wegen der Mausfalle, ein Vampir mag zwar Sonnencremen, aber nicht das Leben („but I don’t like the living“), eine durcheinanderredende italienische Familie spricht just in dem Moment in Einklang, wenn die entscheidenden vergleichenden Sätze kommen: „I like this pasta sauce and I like this pasta sauce“. Die Botschaft ist klar: Auch wenn die Welt noch so verrückt und verdreht ist, es gibt keine Unterschiede mehr zwischen massenproduzierten Produkten. Darum schau einfach auf den Preis.

Formal lässt die englische Aldi-Kampagne mit ihren Kürzest-Spots nichts aus und vermag so immer wieder zu überraschen: Personalisierung von Objekten, Versachlichung von Menschen, Menschen in Tierkostümen, unmögliche Zufälle. Und ja, wenn ein Türknauf schon ein Gesicht mit Mund hat, dann kann er uns auch gleich einen Desinfektionsspray empfehlen. Macht irgendwie halt doch Sinn, oder?!

***Heineken: José Mourinho: The Prep Talk
José Mourinho ist der wohl kontroverseste Fussballtrainer der Welt. Er beschimpft Schiedsrichter und Offizielle und verhält sich oft unfair gegen die Spieler anderer Teams. Wohl gerade deshalb nehmen wir ihm diese launische, coole Rede ab.

Mourinho hält auf dem Dach eines Hauses eine mit biblischen Metaphern gespickte Rede. Dazu rumort, donnert und kracht es unterm düsteren Himmelszelt. Er hält seine feurige Rede an seine Spieler – doch die sieht man nicht. Eigentlich richtet er seine Worte an alle Spieler, die in der Champions League mitspielen. Spieler? Nein, Szenerie und Duktus gemahnen an einen ganz anderen Menschenschlag. Nein, etwas anderes als Menschen, etwas Grösseres. Mourinho spricht wohl zu Superhelden. „Heute Nacht seid ihr Legenden, Titanen.“

Guy Ritchie hat mit „The Prep Talk“ einen Fussballspot gedreht, in dem man die Stars nicht sieht und gerade das die Stars noch viel stärker heroisiert. Er hält sich dabei an den überdramatisierten Stil von Marvel-Hausregisseur Zack Snyder. Ritchie wäre aber nicht Engländer, wenn er nicht wenigstens etwas britischen Humor einbringen würde: Supertrainer Mourinho trägt ein paar britische Finken und dirigiert sein kuschliges Kätzchen in die Dachwohung. Bruce Wayne would approve.

*Old Spice: Unsweatable
Wenn Old Spice uns den Schweiss aus der harten Arbeit nimmt, dann muss man noch härter arbeiten, damit die Umwelt tatsächlich erkennt, dass man hart gearbeitet hat. Hat man das erst einmal begriffen, begreift man auch den Football-Spieler im vorliegenden Spot.

Obwohl es nicht ganz einsichtig ist: im American Football will man offenbar beides. Gut riechen und zeigen, dass man hart gearbeitet hat. Darum sehen wir, was „noch härter“ Football spielen bedeutet. Einen Bienenstock an der einen Hand, eine Limbostange und ein Flughafen-Durchleuchter als zusätzliche Hindernisse. Vor allem bei letzterem kommt man allerdings nicht mehr so ins Schwitzen – und genau so verliert sich der Spot in der den Absurditäten und verliert die Absicht, sportliche Leistungen mit Schweiss anzureichern, zu sehr aus den Augen.

© Michael Kathe

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