Seiler's Werbeblog

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Alexander_Jaggy

Alexander Jaggy «Jung von Matt/Limmat»

«Die Kultur überlebt immer die Erfolge einer Agentur.»
Als ich Alexander Jaggy für ein Interview angefragt habe, war ich mit meinem Blog noch nicht online. Ganz nach meiner Devise «Qualität vor Quantität» habe ich gezielt die Besten angefragt. «Wenn ich über die Werber berichten kann, welche die Szene prägen, dann habe ich eine Chance», dachte ich mir. Alexander Jaggy hat mir bereits am nächsten Tag geantwortet, dass er im Moment passen müsse, da er mit Arbeit zugedeckt sei. Eigentlich kein Wunder, wenn man als Kreativchef für die Budgets von Migros, Swiss Life, Raiffeisen, Graubünden und vielen mehr verantwortlich ist. Er melde sich aber wieder, hat er mir versprochen. Es ist schön, dass er sein Wort gehalten hat und ich Ihnen nun das Interview mit dem Schweizer Top-Kreativen präsentieren kann.

1. Werber des Jahres, Auszeichnungen am Laufmeter und Partner einer der besten Agenturen; sind Sie bereits auf dem Zenit Ihrer Karriere?
In unserer Branche tut man gut daran, seine Verdienste nicht ausschliesslich in Zahlen zu messen. Ebenso wichtig wie die Anerkennung der Branche ist mir der Respekt meiner Kolleginnen und Kollegen. Ich versuche in unserer Agentur ein kreatives Klima zu schaffen, das uns ermöglicht, Grosses herauszubringen. Mir wäre lieber, unsere Mitarbeiter sagen einmal «Die Zeit bei Jung von Matt war super» als «ich war bei einer der erfolgreichsten Agenturen der Schweiz». Ich vermute, genau deshalb haben wir eine so hohe Dichte an Rückkehrern. Die Kultur überlebt immer die Erfolge einer Agentur.

2. Der Erfolgsdruck, Vorbild für viele Kreative und die Jagd nach neuen Ideen – wie gehen Sie damit um?
Ich bin ein Getriebener im positiven Sinn. Jage mich selbst. Schaue stets nach vorne. Suche die nächste Chance. Das ist für mein enges berufliches Umfeld nicht immer ganz einfach. Denn manchmal muss man stolz sein auf das Geleistete. Kurz innehalten. Die Schnapsgläser auspacken und anstossen. Das mache ich eindeutig zu wenig.

GianundGiachen

3. Fast die ganze Schweiz kennt mindestens eine Ihrer Kampagnen. Macht Sie das stolz? Oder ist das einfach ganz normaler Alltag?
Das ist überhaupt nicht selbstverständlich und ich bin sehr dankbar, dass wir uns in dieser Situation befinden. Eine hohe Visibilität erreicht man ja nicht nur mit einer guten Idee, sondern auch mit dem zielgerichteten Einsatz der Mittel, sonst bleibt man unter der Wirkungsschwelle. Hier ist gutes Teamwork gefragt zwischen Agentur, Auftraggeber und Mediaagentur.

4. Sie sind ein Kreativer mit Leib und Seele. Muss sich die Schweiz gegenüber anderen Ländern verstecken oder spielen wir bereits in der Champions League?
Wir spielen keineswegs in der Champions League. Dies zu behaupten, wäre völlig vermessen. Doch hin und wieder gelingt uns eine Überraschung auf internationaler Ebene. Ich denke, die Schweiz kann noch viel besser werden. Vergleichbare Länder wie Belgien oder Schweden schaffen das auch. Wir haben Luft nach oben.

5. Die Arbeit der Strategen wird in der Kommunikation immer wichtiger. Benötigen Sie eine/n starke/n Strategen/in an Ihrer Seite? Oder vereinen Sie als Executive Creative Director alle Disziplinen, welche es für ein aussergewöhnliches Konzept benötigt?
Es braucht die besten Köpfe an einem Tisch. Die besten Strategen, die besten Berater, die besten Kreativen, die besten PR-, Digital- und Media-Experten. Nur so entsteht Neues. Wichtig sind nicht die Prozesse, sondern die Köpfe. Neugierde und Offenheit schlägt Struktur ganz klar. So viel kann ich nach 24 Jahren Herumexperimentieren sagen.

6. JvM hat mit Roman Hirsbrunner einen neuen Geschäftsführer. Hat Sie dieser Posten nicht interessiert?
Ich denke, ich bin ein viel besserer Geschäftsführer Kreation, als CEO. Als Unternehmensleiter wäre ich zu weit weg von dem, was ich von Herzen gerne mache: Briefings knacken, Teams führen, Kreative ausbilden, Konzepte verkaufen und Kampagnen umsetzen. Ausserdem habe ich nur ein Handelsdiplom, Roman ist studierter Ökonom.

7. Welche Personen haben Sie auf Ihrem Weg nachhaltig beeinflusst? Gibt es eine Epoche, welche Sie besonders geprägt hat?
1990 bin ich in die Werbung eingestiegen. Die fetten und sagenumwobenen 80er Jahre waren gerade vorbei. Der Golfkrieg liess praktisch sämtliche Marketingbudgets einfrieren. Ich hatte soeben meinen ersten Job als Juniortexter angetreten und musste schon wieder um die Anstellung bangen. Das hat mich geprägt, mir eine Bescheidenheit mit auf den Weg gegeben, dass nichts selbstverständlich ist und schon gar nichts fix. Ich hatte das Glück, dass mir immer wieder Menschen das Vertrauen geschenkt haben. Genau so wichtig wie meine Vorgesetzten war aber auch die Zeit mit meinem Buddy Pius Walker. Wir waren über sechs Jahre lang ein Team, zogen erst nach Deutschland und dann nach England. Das war mit die prägendste Zeit in meiner Karriere.

8. Wann und wo kommen Ihre besten Ideen? Brauchen Sie Zeit, in der Sie in sich kehren?
Ich arbeite normalerweise von 7.30 bis 19.30 Uhr. An den Randstunden versuche ich immer ein paar Stunden für die strategische und konzeptionelle Arbeit zu reservieren. Während den offiziellen «Schalterstunden» komme ich fast nicht dazu. Dann brauchen mich die Teams oder die Kunden. Eine Arbeit, die ich übrigens auch sehr gerne mache und vielfach gar nicht als solche empfinde.

9. Der Einstieg in die Werbewelt ist Ihnen als Texter gelungen. Das Handwerk des Texters ist häufig das Fundament eines erfolgreichen Werbers. Was sind die Gründe?
Wichtig ist die konzeptionelle und strategische Ausbildung. Das Texten ist eigentlich nur ein willkommenes Abfallprodukt. Ich denke auch nicht, dass ich ein Bombentexter bin. Handwerklich kenne ich ein paar ganz andere Kaliber. Meine Stärke liegt sicher in der Strategie und in der Konzeption. Und ich bin schnell.

10. Auf welche Ihrer Arbeiten sind Sie besonders stolz?
Ich bin generell sehr stolz auf das, was wir seit acht Jahren für Graubünden machen dürfen. Gian & Giachen haben inzwischen Kultstatus erreicht und wurden vom ADC Schweiz mit dem Evergreen bedacht. Mit der Zahlen-Kampagne für Raiffeisen haben wir eine einfache Kampagnenklammer geschaffen, die immer wieder neue und gute Umsetzungen für alle Bereiche zulässt. Ebenfalls stolz bin ich auf die Migros-Sommerkampagne. Mit 140’000 verkauften Exemplaren des Buchs «100 Dinge, die man diesen Sommer gemacht haben sollte» haben wir sogar einen echten Bestseller geschaffen.

Migros-Sommer

Raiffeisen Hund

Raiffeisen Baby

www.jvm.ch

 

© Yves Seiler

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