Seiler's Werbeblog

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Curdin Janett «Alles Käse?»

Curdin Janetts Karriere ist eine Aussergewöhnliche, auch aber eine Spezielle. Es gibt Werber, welche Weingüter (Bruno Widmer im Interview) besitzen. Mir ist aber keiner bekannt, welcher Insights, Strategie und Kampagnen gegen Premium Käse getauscht hat. Curdin war nicht irgend ein Werber, er war unter anderem Werber des Jahres und führte Publicis über 6 Jahre als CEO. Seit einem Jahr leitet er mit Michael Fankhauser «Fromage Mauerhofer». Ich wollte in Erfahrung bringen wie es Curdin geht, wie er sein erstes Jahr als «Käser» beurteilt und wie nahe er der Werbebranche weiterhin steht.

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Yves Seiler: Du warst fast 9 Jahre CEO von Publicis, nun hast du bald dein erstes Jahr als «Käser» hinter dir. Wie geht es dir?
Curdin Janett: Mir geht es hervorragend, danke der Nachfrage. Als ich bei Publicis angefangen habe, war übrigens noch Fredy Collioud als Gruppen-CEO in Amt und Würden. Ich habe die ersten beiden Jahre zusammen mit Christian Siegrist die klassische Agentur geführt. CEO war ich dann etwas über sechs Jahre, was mich auch schon alt genug macht.

Es birgt ein beachtliches Risiko, wenn man einen attraktiven Chefposten aufgibt und Kittel gegen Schürze tauscht. Ich freue mich immer, wenn solch ein Risiko belohnt wird. Darf ich mich auch für dich freuen? Wie laufen die Geschäfte?
Wir sind sehr zufrieden mit dem Start. Gerade diese Woche haben Michael Fankhauser und ich uns den allerersten Business-Plan vom Oktober 2016 angesehen und durften feststellen, dass wir bisher praktisch nicht davon abgewichen sind. Zum «beachtlichen Risiko»: Wenn jemand als Lehrer in Aleppo bleibt, geht er ein solches ein. Wenn man nach vielen guten Werbe-Jahren einen Traum verwirklicht, ist das Risiko doch sehr überschaubar.

Zusammen mit Michael Fankhauser leitest du «Fromage Mauerhofer». Weder du noch Michael Fankhauser haben das Handwerk des Käsers erlernt. Verlasst ihr euch hauptsächlich auf eure Nase? Was für andere Fachkräfte beschäftigt eure Firma?
Wir sind zwei passionierte Quereinsteiger. Und insofern haben wir zwar viele Ideen zu Käsespezialitäten, könnten diese aber nie im Leben selber realisieren. Dass wir selber zu Käsern werden war auch nie Teil des Konzeptes. Das sollten ja einige der besten unabhängigen Käsermeister für uns übernehmen. Aktuell arbeiten wir mit sieben zusammen und es sind bereits 15 Käse entstanden. Bei uns im Keller in Burgdorf arbeiten dann zwei frisch pensionierte Käsermeister, welche die eingelagerten Käse mehrmals pro Woche von Hand pflegen. Wir machen ja alles so wie man es vor 100 Jahren gemacht hat und da spielt die Pflege eine grosse Rolle.

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Das Jahr muss extrem schnell vorbeigegangen sein. Eine Marke baut man nicht innerhalb von Tagen auf. Was sind bisher eure grössten Herausforderungen?
Es ging tatsächlich so schnell, dass ich heute oft 2017 und 2018 durcheinanderbringe. Tönt jetzt etwas absurd, aber bisher sind die Sachen schneller und einfacher gegangen als wir es uns vorgestellt hatten. Da hat sich eine Sache in die nächste gefügt, zum Teil konnten wir es selber fast nicht glauben. Von den besten Käsern, die zugesagt haben, über das Glück mit dem historischen Käsekeller in Burgdorf, den unser Freund Beat Wampfler restauriert und wieder in Betrieb genommen hat, bis zum Einstieg bei unseren Wunschpartnern Globus und Franzoli. Bisher hat es einfach immer gepasst, Holz anfassen, big time.

Und trotzdem hast du Zeit andere Mandate anzunehmen. So bist du unter anderem im Verwaltungsrat von Hinderling Volkart und Inhalt & Form. Warum hast du zu diesen Mandaten ja gesagt und was sprach für diese beiden Agenturen?
Das sind zwei tolle Agenturen mit sehr sympathischen Leuten. Und solange ich da mit Rat und Tat von Nutzen sein kann, mache ich das sehr gerne. Ich möchte da aber nicht als Consultant ständig im Weg stehen und so nützlich sein wie ein Papier-Regenschirm, sondern halt bei den strategischen Themen im Verwaltungsrat Input geben und darüber hinaus, wenn sie mich anrufen. Es ist sehr interessant zu sehen wie sich Hinderling Volkart aus einer sehr starken Position für die Zukunft aufstellt und die Entwicklung um das «United» Konstrukt bei Inhalt&Form ist es nicht weniger.
Darüber hinaus habe ich ganz vereinzelt Strategie-Mandate von Direktkunden angenommen. Aber auch da wirklich sehr selektiv und nur wenn ich das Gefühl hatte etwas beitragen zu können. Zum Freelancen habe ich neben Fromage Mauerhofer keine Zeit. Es muss also ein Thema sein, wofür ich etwas von der seltenen Freizeit hergebe.

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Man könnte behaupten, der Curdin ist ein schlauer Fuchs, denn so kann er nun auf die Dienste der beiden Agenturen zurückgreifen. Ich gehe davon aus, dass sie dich in Sachen Werbung unterstützen?
Beide Agenturen müssen keine Angst vor Bettelaktionen meinerseits haben. Das Design der Marke Fromage Mauerhofer bis und mit Website stand ja schon, als ich in die Verwaltungsräte eingetreten bin. Dieser Kelch ist also an ihnen vorübergegangen. Sehr schön gemacht hat es Raphael Schenker von Schenkerdesign.

Kannst du dir eine Rückkehr in die Werbebranche vorstellen oder hast du mit «Fromage Mauerhofer» genau das gefunden, wonach du immer gesucht hast?
Eine eigene Marke im Käsemarkt zu lancieren ist der Traum und damit steht Fromage Mauerhofer absolut im Zentrum meiner Tätigkeit. Mit der Werbebranche bin ich ja über die VR-Mandate verbunden. Das reicht gut so.

Unterschiedlicher könnte das Image der beiden Berufsgattungen nicht sein. Wenn man sich eure Homepage, sowie das Design der Produkte anschaut, dann merkt man sofort: das sind Leute, die etwas von Branding und Marketing verstehen. Wie wichtig ist bei einem Käse die Verpackung?
Vielleicht fast etwas zu wichtig, weil ja jeder glückliche Kühe mit Hörnern, Käsepflege von Hand und traditionelle Bauernbetriebe zeigt, auch wenn seine pasteurisierten Produkte aus der Fabrik kommen und die Kühe ein hornloses Leben im Grossbetrieb fristen.

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Ihr positioniert euch als sehr fairer Partner: ihr schaut sowohl für Tier, Umwelt und Bauern und entlohnt diese mit einem überdurchschnittlichen Salär. Ist das Sache der Einstellung oder braucht es solche Massnahmen (spezielle Fütterung, keine weiten Transporte u.v.m.), wenn man einen Käse im obersten Segment positionieren möchte?
Man kann einen Käse sicher auch im obersten Segment positionieren, wenn man ihn einfach nur mit dem richtigen Schnaps einreibt oder eine Geschichte erfindet. Bei uns ist es schon Überzeugung. Wir möchten mit unserer Marke einen Beitrag zum Erhalt des traditionellen Käsereihandwerkes in der Schweiz leisten.

Gibt es Konkurrenz, an welcher ihr euch orientiert bzw. gibt es Produzenten, welche das Handwerk perfektioniert haben?
Unsere Inspiration waren die sehr guten Schweizer Käser, welche sich von den gängigen Rezepten abgewandt und erfolgreich eigene Kreationen lanciert haben. Auch in Frankreich haben wir schon mit sehr engagierten Fromageries gesprochen, welche wie wir eigene Kriterien aufstellen, da sich die branchenüblichen zu sehr am Grosshandel ausrichten.

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Wie sieht die klassische Zielgruppe von «Fromage Mauerhofer» aus? Mit welchen Kommunikationsmitteln bearbeitet ihr diese?
Es sind bewusste Geniesser. Leute, die viel über Kulinarik wissen und noch mehr wissen wollen. Wobei der Genuss immer an erster Stelle steht.

Zu Beginn hatten wir gleich etwas PR, was wir auf fromagemauerhofer.ch sofort gemerkt haben. Facebook und Instagram bewirtschaften wir selber zwischendurch wenn etwas Zeit bleibt. Mit Hilfe der APG und Pius Walker konnten wir diesen Frühling eine erste Outdoor-Kampagne realisieren, die uns auch viel Freude bereitet hat. Schritt für Schritt versuchen wir also, unsere Bekanntheit in der Zielgruppe zu steigern. Die vielen Degustationen, sei es bei Globus oder als Catering an Anlässen, helfen dabei auch die Geschichte direkt zu erzählen. Es gibt noch viel zu tun.

Auch wenn es nur aus Imagegründen ist: in welchen Verkaufsstellen müsst ihr sein?
Wir haben bereits im allerersten Plan festgehalten wo wir am liebsten präsent wären und wo wir nicht hingehören. Bisher konnten wir uns daran halten. Gestartet sind wir mit unserem eigenen Onlineshop, zu Weihnachten sind die acht Globus Filialen dazugekommen, wir durften die Spitzen-Caterer von Franzoli beliefern und schon sehr bald sind die nächsten beiden Punkte aus unserem Plan spruchreif. Es gibt also bereits heute keine Ausrede mehr unsere Produkte noch nicht degustiert zu haben. Ich werde alle WerberInnen, die ich treffe, darauf ansprechen.

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Soeben wurde der Werber des Jahres gekürt. 2015 wurde dir diese Ehre erwiesen (Curdin im Interview). Was für Auszeichnungen erhoffst du dir als Käser? Welche Auszeichnung muss man kriegen, damit man auf den Käser-Olymp kommt?
Gratulation an Livio Dainese auch an dieser Stelle. Jetzt sind die Auszeichnungen die Feedbacks der Kunden. Und die machen Freude. Oder wenn ein bei Michelin und Gault & Millau dekorierter Koch eine exklusive Mauerhofer-Käseplatte anbietet.

Die Werbebranche ist gerade gewaltig im Umbruch. Bei einem Käse hält man hingegen an Traditionen fest. Und trotzdem sucht man auch in diesem Metier nach der nächsten Innovation. Innovation versus Tradition – wie ist deine Gewichtung?
Wie bei vielen Lebensmitteln ist auch beim Käse die Tradition die Innovation. Back to the roots. Sachen wieder richtig machen. Fokus auf Qualität, nicht Quantität.

Wer weiss, vielleicht wäre dieses Rezept auch für die Werbebranche nicht gänzlich falsch, sich wieder mehr um den Kern einer Marke zu kümmern, um die viel besprochene Idee, die auf jedem Bierdeckel Platz hat.

Ihr bietet auf eurer Homepage unterschiedliche Abos an. Kannst du uns mehr dazu erzählen?
Neben der normalen, einmaligen Bestellung kann man Abos (hier) für drei, sechs oder zwölf Monate abschliessen. Dabei wählt man nicht spezifische Käse, sondern schliesst allenfalls etwas kategorisch aus (z.B. kein Geiss-, kein Schaf-Käse) und lässt sich ansonsten jeden Monat überraschen. Der Anteil an Abos war von Beginn an überraschend hoch. Was uns natürlich freut.

fromagemauerhofer.ch

instagram.com/fromagemauerhofer

©Interview: Yves Seiler
©Bilder: Fromage Mauerhofer

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2 Comments

  • andy

    Grossartig. Freu mich für Dich Curdin.

    Antworten
  • Franzoli

    Wir sind grosse Fans von Fromage Mauerhofer. Top Qualität – vom feinsten.

    Antworten

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