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Gordon Nemitz & Ester Elices

Gordon Nemitz & Ester Elices «Strategisches Interview #2»

Wie anfangs September (erster Teil des Interviews) angekündigt, folgt nun der zweite Teil des «strategischen Interviews». Gordon Nemitz und Ester Elices gaben einmal mehr tiefe Einblicke in die Arbeit der Strategen. Junge Nachwuchs-Strategen erfahren zudem was die Ad School bietet und welche Bücher es zu lesen gilt.

Gibt es Bücher, welche ihr empfehlen könnt, wenn es um das Thema Strategie geht?
Gordon
: Das Standardwerk schlechthin: How to plan Advertising von Alan Cooper. Aber auch Blink von Malcolm Gladwell, das ein Appell an das Bauchgefühl ist.

Ester: Strategic Planning von Stephen King.

Rod positioniert sich stark über die Strategie, wie auch PR und ist damit eher die Ausnahme. Habt ihr eine Idee, warum das so ist?
Gordon
: Rod ist eine kleinere Agentur, die mit einem solchen Fokus sehr gut am Markt operieren kann. Ähnlich machen es ja auch Ruf Lanz oder Walker, die eine starke kreative Ausprägung haben. Als Full-Service-Agentur versuchen wir, weniger ein Entweder-Oder zu bieten, sondern ein überzeugendes Sowohl-Als-Auch. Und ich hoffe, dass sieht man unseren Arbeiten auch an.

Wenn die Strategie steht, ist dann eure Arbeit getan? Oder sitzt ihr mit im Boot bis die Kampagne steht?
Gordon
: Wie ich bereits erwähnt habe, herrscht bei uns kein Gartendenken, sondern ein kollaboratives Miteinander, daher bleiben wir Strategen sehr lange im Boot. Erst wenn es dann in die Realisation geht, ziehen wir uns langsam aus dem jeweiligen Projekt zurück.

Ester: Nein. Ab der Realisationsphase sind wir nicht mehr dabei.

Auf welche eurer Arbeiten seid ihr besonders stolz? In welcher kann man den strategischen Ansatz am besten erkennen?
Gordon
: Migros Ensemble, weil wir verstanden haben, dass man zu Weihnachten die Herzen der Schweizer nicht mit 50% auf Schweinsfilet, sondern mit grossen Gefühlen und einer grossen Geste gewinnen kann. Watson, weil wir die Jungen verstanden haben und sie mit ernsten und freudvollen Themen für eine neue Form des Journalismus begeistern konnten, statt sie mit reiner Oberflächlichkeit abzuspeisen. Und melectronics, weil aus dem Fakt «Keine Provision» der Insight «Wir haben das beste Produkt für dich und dich und dich…» wurde, der als Zündfunke für eine grossartige Kampagne diente.

Ester: Auf die Arbeiten für SWISS bin ich schon etwas stolz. Reisen ist ein universelles Thema, aber wenn man schaut, wieso Menschen verreisen, dann findet man ganz schöne Insights.

SWISS_Launch_Campaign

Strategen sind auf der Suche nach Insights. Wie schwierig ist es, wenn das eine Frau für ein Männerprodukt und ein Mann für ein Frauenprodukt machen muss?
Ester
: Nein, das ist nicht schwierig. Man muss sich nur in die Zielgruppe eindenken und diese kennenlernen.

Gordon: Das ist gar nicht schwierig. Man muss sich nur offen an die Thematik heranwagen und den Menschen ordentlich zuhören. Dann kann man die spannendsten Insights finden, ohne sich selbst die Beine rasieren oder die Haare über die Glatze kämmen zu müssen.

Seit einiger Zeit gibt es den Strategy-Slam. Könnt ihr uns erklären um was es sich dabei handelt?
Gordon
: Wir haben vor ca. zwei Jahren begonnen, den Austausch mit der APGD und Strategie Austria zu suchen. Und in diesem Rahmen kam die Idee, dass wir mal einen gemeinsamen Event auf die Beine stellen wollten. Letztes Jahr war es dann soweit und in Berlin haben erstmals 9 Strategen in 9 Minuten ihre Gedanken und Ideen geslamt.

Wie ist euer Verhältnis zu den Kollegen im nahen Ausland?
Gordon
: Sehr gut. Da ich selber lange in Deutschland gearbeitet habe, bestehen aus dieser Zeit noch etliche Kontakte. Aber auch dank der gemeinsamen Events ist die deutschsprachige Planning-Community enger zusammengerutscht.

Ester: Wir planen auch die Zusammenarbeit über den Strategy Slam zu intensivieren.

Habt ihr eine Idee warum die Schweiz anders tickt als das Ausland? Es ist erwiesen, dass zum Beispiel in England die Arbeit der Strategen viel höher angesiedelt ist.
Gordon
: England als eigentliches Mutterland des Plannings ist von der zeitlichen Entwicklung einfach etwas weiter als das kontinentale Europa. Darüber hinaus herrschte in der Schweiz aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage bei den Unternehmen lange auch ein geringerer Leidensdruck, was die Optimierung ihrer kommunikativen Prozesse angeht. Aber diese Zeiten sind mittlerweile vorbei und immer mehr Kunden sehen die Wichtigkeit von Strategie.

Auch im Bereich «Bewegtbild» hinkt die Schweiz noch hinterher. Was könnten hier die Gründe sein?
Gordon
: Diese Einschätzung teile ich eigentlich nicht. Natürlich könnte man hier wieder auf die Besonderheit der Schweiz als Plakatland verweisen, aber die Entwicklung der letzten Jahre zeigt doch eindrücklich, dass die Schweiz beim Thema Bewegtbild vorne mitmischen kann. Ich sage nur Graubünden, Search Racism oder IKEA Karasek.

Für mich muss ein guter Stratege immer «up do date» sein, wenn es um neue Werbeformen und Technologien geht. Wo informiert ihr euch? Was/Wer sind eure Quellen?
Gordon
: Das Internet. Trendwatching, Springwise, Mashable, mein eigener Facebook-Stream oder unser interner Wirz-Blog.

Ester: Lesen, lesen, lesen, fragen, fragen, fragen.

Von Strategie spricht man häufig, wenn es um Kampagnen geht. Dabei ist eine gute Strategie genauso wichtig, wenn es darum geht, eine Firma neu zu positionieren. Wie seht ihr das?Ester: Absolut. Man muss auch sehen, dass viele unserer Strategien, nicht in Kampagnen enden, sondern in Strategie-Papieren, die andere Resultate erbringen müssen. Diesen Teil der Strategie-Arbeit mag ich auch sehr.

Gordon: Das sehe ich genauso. Nur sind die Parameter, die es in der Erarbeitung der jeweiligen Strategie zu berücksichtigen gilt, andere. Aber ich glaube auch, dass die Agenturen das Potential ihrer Strategen noch zu wenig ausschöpfen.

Gute Werbung wirkt! Eine gute Strategie….?
Ester: … macht gute Werbung noch besser.

Gordon: …bereitet den Weg dahin.

Was für einen Ratschlag habt ihr für junge Menschen, welche sich gerne im Bereich Strategie ausbilden möchten?
Gordon
: Wenn ihr schon in der Branche arbeitet: Macht die Ad School. Wenn ihr gerade fertig mit der Schule seid, dann sucht euch ein Studium, dass euch lehrt, Probleme zu analysieren und zu lösen. Und statt in den Semesterferien zu feiern, sucht euch immer wieder Praktika.

Ester: Dito.

Vor kurzem startete die Ad School. Was kann man an der Ad School lernen? Welche Kurse werden dort angeboten?
Ester
: Die Ad School bietet zwei Lehrgänge an: Ein Strategie- sowie ein Kreativ-Lehrgang. In beiden Kursen werden für den jeweiligen Arbeitsbereich typische Sachen gelehrt. Nichtsdestotrotz gibt es Überschneidungen und da mischt man dann die Klassen. Wie zum Beispiel bei der ersten Vorlesung mit Michael Conrad.

Ad School

An wen richtet sich die Ad School? Wer gehört zur Zielgruppe? Was kostet ein Kurs im Schnitt?
Ester
: Zur Ad School werden talentierte Kreative und ebensolche Strategen/Berater zugelassen, die über Agenturerfahrung verfügen. Und sie kostet CHF 6000.–.

Das «Who is Who» der Werbebranche unterrichtet an der Schule. Ist das Teil der Schul-Strategie damit man viele Schüler motivieren kann oder sind gute Kreative automatisch auch gute Lehrer?
Ester
: Wir hoffen es! Unser Motto lautet: Die besten Talente sollen von den besten Exponenten der Branche lernen. Wir haben aber eine Qualitätskontrolle, sprich jeder Dozent wird anschliessend von den Schülern bewertet.

Gordon: Wir wollen, dass die Besten von den Besten lernen. Anstatt Theoretiker referieren zu lassen, haben wir uns die spannendsten Köpfe geholt, die ihr fundiertes Wissen in der Praxis bewiesen haben.

Ihr seid beide im Vorstand der Account Planing Group. Was genau ist die APGS? Ein verschworener Zirkel? Oder steht die Tür für jedermann offen?
Ester
: Mitglied können alle Personen werden, die sich in der strategischen Kommunikationsplanung auszeichnen. Es braucht dazu nur ein CV und ein Referenzprojekt, die man an Martin Fritsche, Sprecher unserer Aufnahmekommission, schickt (martin.fritsche@positionings.ch).

Die APGS hat zum Zweck die Strategische Planung in der Schweiz zu fördern und fördert den Wissens- und Erfahrungsaustausch in Kommunikationsagenturen. Über das Jahr verteilt haben wir verschiedene Events. Sei es der Strategy-Slam, die Lernreihe «How-to» oder die bekannten «Bier-Cases»: Eine Agentur lädt in ihre Räumlichkeiten ein und stellt einen Case vor. Und natürlich haben wir einmal im Jahr die Mitgliederversammlung.

Der Beruf als Stratege…..?
Gordon
: … ist wie Robert De Niro. Immer wieder andere Aufgaben, aber trotzdem immer cool.

Ester: … ist einfach the best.

© Interview: Yves Seiler

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