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Hannes_Britschgi

Hannes Britschgi «Der Publizist»

Hannes Britschgi ist Journalist mit bald 30 Jahren Berufserfahrung in Print und Fernsehen. Heute schreibt er für die Ringier-Titel und leitet die Ringier Journalistenschule. Er war Chefredaktor des SonntagsBlicks und des Schweizer Nachrichtenmagazins FACTS. Als Moderator der Polit- und Wirtschaftssendung Rundschau wurde er 1997 mit dem Tele-Preis ausgezeichnet. In Bern studierte er an der juristischen Fakultät und machte 1984 das Berner Anwaltspatent. Britschgi ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Töchtern.

1. Sie studierten Rechtswissenschaften und erwarben das Anwaltspatent. Sie haben sich dann für einen anderen beruflichen Werdegang entschieden und sind seit Jahren in der Kommunikationsbranche tätig. Warum haben Sie damals diesen Weg eingeschlagen?
Bereits während des Gerichts- und Anwaltspraktikums noch vor dem Staatsexamen habe ich gemerkt, dass die Einsamkeit des Anwalts in seinen Aktenbergen nicht ganz kongruent mit meinem Temperament ist. Ich habe dann noch das Staatsexamen gemacht, damit ich mein Studium rund abschliessen konnte, bin dann aber sofort zu neuen Ufern aufgebrochen und suchte bei Produktionsfirmen in der Filmbranche Arbeit, denn mein Fernziel war Regisseur.

2. Während 15 Jahren waren Sie beim Schweizer Fernsehen tätig unter anderem als Journalist, Moderator und Redaktionsleiter. Welche dieser Aufgaben hat Sie am meisten ausgefüllt?
Diese drei Rollen waren in meinem Fall eine Einheit. Ich bin Journalist. Ein einzigartiger Beruf, ein lebenslanger Lernprozess.

3. 1997 wurden Sie dank Ihrem Interviewstil für das Wirtschaftsmagazin Rundschau (heisser Stuhl) mit dem Tele-Preis ausgezeichnet. Können Sie sich noch gut an diese Zeit erinnern? Wie wichtig war Ihnen diese Auszeichnung?
Natürlich kann ich mich noch sehr gut an diese Zeit erinnern. Nichts gräbt sich so tief ins Gedächtnis als Ereignisse, die von heftigen Emotionen begleitet waren. Und die Rundschau-Begegnungen mit meinen Gästen im Studio waren intellektuell und emotional anspruchsvoll. Ich habe viel Energie und Zeit in die Vorbereitung und Recherche für diese Gespräche gesteckt. Das bleibt hängen. Das war viel Leidenschaft. Es sind schöne Erinnerungen.

4. Vier Jahre später wechselten Sie in den Print-Journalismus. Wie kam es dazu?
Nach 6 Jahren Rundschau und insgesamt gut 14 Jahren Fernsehen hatte ich das Gefühl, dass etwas Frischluft gut tun würde. Ich war in dieser Leutschenbach-Glocke gebührenwarm gebettet und hatte Lust, die Realitäten des harten Medienmarktes zu erleben. Das Schicksal wollte es, dass ich dann die volle Ladung abgekriegt habe. Ich stieg nämlich am Höhepunkt der Werbeeinnahmen im Printgeschäft ein. Das war im Januar 2001. Dann ging es nur noch bergab.

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5. Für mich waren Sie in dieser Zeit «Mr. Facts». Ich mag mich noch genau an die Gespräche zu Hause erinnern, als wir über gewisse Artikel aus der Zeitschrift diskutierten. Es muss eine unglaublich spannende Zeit gewesen sein.
Das stimmt. Da kumulierten die Ereignisse in einer Art und Weise, dass einem fast angst und bange werden konnte. In einem einzigen Jahr passierte das Blutbad im Zuger Parlament, der Gotthard-Tunnel-Crash und 9/11. Als Chefredaktor eines Nachrichtenmagazins waren das jedes Mal Bewährungsproben. Die Redaktion meistert die Herausforderung oder nicht. Da gibt es keinen zweiten Versuch. Ich bin heute noch stolz auf meine Redaktion, wenn ich zurück blicke. Bei 9/11 zum Beispiel – das war ausgerechnet an unserem Abschlusstag – arbeiteten wir die Nacht durch und haben über 40 Seiten neu produziert. Diese Nacht werde ich nie vergessen.

6. Während über 3 Jahren haben Sie den Sonntags Blick geleitet. Wenn man Ihren Weg anschaut, haben Sie hauptsächlich Formate betreut, welche wöchentlich erschienen. Ist das reiner Zufall oder bewusst so von Ihnen gewählt?
Bewusst nicht, das hat sich so ergeben. Ich habe die Chancen gepackt, die ich erhalten habe. Der Magazinjournalismus ist aber eine wahnsinnig interessante Disziplin. Sie verlangt viel Kreativität, denn die Redaktion arbeitet nicht einfach die Aktualität ab, sondern muss eigene Ideen entwickeln. Das ist schon sehr befriedigend. Noch heute hilft da kein Computer, keine Software weiter. Die menschliche Kreativität ist unersetzbar. Das ist – bei allen Fortschritten in der Kommunikationstechnologie – überaus tröstlich.

7. In all den Jahren: wer war Ihr spannendster Interviewpartner? Was war Ihre spannendste Story?
Lassen Sie mich es so sagen: Im «Karussell» durfte ich das TV-Handwerk lernen, mit der Sendung «Max» konnte ich mich kreativ austoben, im «Kassensturz» lernte ich das Recherchenhandwerk, in der «Rundschau» konnte ich meine erste journalistische Duftmarke setzen, im «FACTS» journalistisch ausleben, im «RingierTV» meinen Regie- und Produzententraum degustieren, im «SonntagsBlick» den warmen Boulevard im SonntagsBattle voranbringen und an der «Ringier Journalistenschule» führe ich meine grosszügigen Kolleginnen und Kollegen der Medienbranche zusammen, damit sie ihr Handwerk mit den jüngsten teilen. Sie sehen, es ist ein kontinuierliches Wachsen.

8. Sie sind Leiter der Ringier-Journalistenschule. Nach meiner zweiten Lehre wollte ich die Schule besuchen. Wie prägend ist die Schule heute noch für den Berufsstand?
Die Schule ist eine von vielen Möglichkeiten, im Journalismus einzusteigen. Wer die «Ringier Journalistenschule» wählt, hat eine gewisse Sicherheit, dass es klappen wird. Eben feierten wir das 40-Jahre-Jubiläum und gaben zum Anlass einen Sammelband heraus. Darin sind viele Porträts von Ehemaligen gebündelt. Ein Who’s who der Medienbranche, ein Beweis in Buchform, dass die Schule tolle Journalistinnen und Journalisten hervor gebracht hat.

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9. Was lernt man an der Ringier-Journalistenschule? Was für Eigenschaften muss ein Kandidat mitbringen?
An der Schule lernt man das Handwerk, knüpft man am Beziehungsnetz und kriegt sehr viel vom real existierenden Redaktionsalltag mit. Wir suchen intelligente, neugierige und einsatzbereite Kandidatinnen und Kandidaten, die beim international tätigen Verlagshaus Ringier eine Zukunft sehen.

10. Was zeichnet einen guten Journalisten aus?
Neugier, Leidenschaft und Intelligenz. Wenn er oder sie dazu noch rhetorisches Talent, eine tolle Schreibe oder eine Trüffelnase hat, dann geht’s Richtung Supertalent. Dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen.

11. Sie bezeichnen sich als Publizist und Ihre Tätigkeit ist somit eher langfristiger als die eines Journalisten. Vermissen Sie das schnelllebige Journalisten-Leben? Oder sind Sie beruflich dort angekommen, wo Sie die grösste Erfüllung spüren?
Ich bin Journalist. Manchmal muss ich auch sprinten. Mit bald 60 Jahren ist ein Primeur besonders süss. Publizist heisst ein Journalist, wenn er verlagsübergreifend für verschiedene Titel schreibt. Da ich in vielen Institutionen Ringier vertrete, habe ich eine Bezeichnung gesucht, die dem etwas Rechnung trägt.

12. Sie waren am Buch «Journalismus und Internet: Warum sich die Medienwelt noch dramatischer verändern wird, als wir heute glauben» beteiligt. Wie sehen Sie diese Aussage heute?
Mit dieser Aussage sind wir voll auf Kurs.

13. Für die Journalistenbranche und die Meinungsäusserungsfreiheit insbesondere waren die Anschläge in Paris grausam. Was darf Satire und wo sind die Grenzen? Wie gehen Sie bei Ringier mit dem Thema Satire um?
Ich kann nicht für ganz Ringier sprechen. In erster Linie müssen die Chefredaktorinnen und –redaktoren entscheiden, denn sie tragen die publizistische Verantwortung. Ich stelle aber fest, dass unsere Chefredaktionen die Meinungsäusserungsfreiheit sehr hoch halten und dem Druck, der durch blutige Attentate entsteht, nicht nachgeben. Die Satire darf alles, wenn gemeint ist, dass Satire Herrschaftsansprüche karikiert. Die Satire darf nicht alles, wenn sie zum Instrument von Rassismus, zur totalitären Propaganda wird.

Charlie Hebdo

14. Ringier und Axel Springer haben ein Joint Venture gegründet. Was bedeutet das vor allem für den Schweizer Markt?
Sie wollen ein Joint Venture gründen. Die Details sind noch zu regeln und die Wettbewerbskommission muss dann auch noch grünes Licht geben. Es wird das drittgrösste Medienunternehmen der Schweiz entstehen, das mit einem attraktiven Portfolio glänzen kann. Denken wir nur an die Marken wie «Schweizer Illustrierte» und «Beobachter». Im kommerziellen Auftritt hat dieser Zeitschriftenverbund ganz neue Möglichkeiten, die den Markt sicher stark beeinflussen werden.

15. Die Bild Zeitung, welche zum Axel Springer Verlag gehört, hat im Online-Bereich Artikel, die man bezahlen muss. Ist es ein Thema für Blick, dass man für gewisse Artikel ein Abo benötigt? Oder sprechen die Zahlen aus Deutschland eher gegen dieses «Experiment»?
Die Zahlen von «BILD.DE» sind gut. Aber der Schweizermarkt lässt sich nicht mit dem grössten europäischen Markt vergleichen. Im Vergleich mit Deutschland ist die Deutschschweiz ein Regionalmarkt. Hier muss die «Blick-Gruppe» einen eigenen Weg gehen. Natürlich schauen wir sehr genau hin, welche Erfahrungen der Verlag Axel Springer macht.

 

© Yves Seiler

 

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