Seiler's Werbeblog

Wir schreiben über Werbung

Hermann Strittmatter

Hermann Strittmatter, quirliger Altmeister.

Hermann Strittmatter ist der aktive Altmeister der Schweizer Politwerbung, VR-Präsident der von ihm gegründeten GGK Zürich, Betriebswirtschafter, ehemaliger Werbeleiter, Weinbauer, Gastrokritiker und GC-Vorstandsmitglied, Kommunikationsberater und Kampagnenmacher für Politik und Wirtschaft. Er schreibt jeden Monat eine Kolumne auf cash online und jeden Sonntag «Strittis Schlagzeile» in der NZZ am Sonntag. Ich bin stolz, dass diese spannende Persönlichkeit auch gegenüber Seiler’s Werbeblog offen und hilfsbereit war.

1. Sie gehören zu den legendärsten Werbern des Landes. Wie sind Sie damals zur Werbung gekommen?
1963 verkaufte ich Schneeschleudern der Firma Rolba. Da sagte der Chef Rolf Baumann eines Tages: «Unser Grafiker ist krank. Ich brauche aber sofort eine Titelseite für den Prospekt unserer neuen Schnee-Schmelzmaschinen. Ich habe beobachtet, dass Sie den SPIEGEL lesen und habe Sie auch schon bei einer Vernissage gesehen. Machen Sie doch mal einen Entwurf!» Eine halbe Stunde später lege ich ihm eine Skizze vor. «Toll», sagt er. «Da wir mehrere neue Prospekte, Inserate und auch einen Film brauchen, ernenne ich Sie zum Werbechef.»  Das war ich dann drei Jahre, in denen ich mich eifrig für Werbung zu interessieren begann, insbesondere für die sehr spezielle Art, wie sie GGK schuf. Als sie einen Art  Director suchte, bewarb ich mich. Und wurde auf den 1. August 1966 in Basel als Junior Berater-Texter für satte 1’100.- Franken angestellt. Egal – ich wollte zu denen.

2. Sie sind Gründer von GGK Zürich. Geben Sie mir Recht, dass es bis heute keine Agentur  geschafft hat,  die spezielle Aura von GGK auszustrahlen?
Diese Aura der GGK gab es seit 1959, also schon vor mir. Ich habe sie 1979 nach Zürich exportiert und weiterentwickelt.

3. Sie halten nichts von neuen Medien. Wenn man sich zum Beispiel die Profile im Xing anschaut, hat fast jeder bedeutende Creative Director einmal bei GGK gearbeitet. Sind Sie stolz, dass die Talentschmiede GGK bis heute noch seine Wirkung hat?
Zum Glück weiss ich nicht, was Xing bedeutet. Ich habe nichts gegen die «neuen Medien». Ich habe nur etwas gegen Leute, die sich bewusst dem Daten- und Informations-Tsunami hingeben und sich dabei überfordern, keine Prioritäten mehr setzen können und dadurch laufend Fehler begehen. Mit den technisch eigentlich sensationellen Möglichkeiten verludert leider die Sprache und damit auch der Geist. Wer nicht mehr richtig schreiben kann, kann auch nicht mehr richtig denken. Die neuen Medien erfordern mehr Denkdisziplin.  Die verkommt aber immer mehr.

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4. Letzthin hat mir ein Texter (ex. GGK) überspitzt gesagt, dass heutige Werber wie Buchhalter seien. Mein Gefühl sagt mir, dass Sie dieser Person Recht geben?
Lieber ein Texter, der wie ein Buchhalter schreibt als umgekehrt. Lieber damit leben als daran sterben.

5. Ist es richtig, dass früher zuerst die Kreation im Vordergrund stand und man sich am Schluss, wenn der Auftrag fertig war,  noch mit dem Budget beschäftigte? Budgetprobleme kannte man in dieser Zeit noch nicht?
Das sind Märchengeschichten von gescheiterten SAWI-SchülerInnen.

5.1. Sind das wirklich Märchengeschichten? Mein Onkel hatte eine Druckerei und früher stand alles an erster Stelle, nur der Preis nicht.
Bei Teilaufträgen mag das vielleicht der Fall gewesen sein, aber bei den Gesamtbudgets, die alle Einschaltungen und Produktionen umfassten, sicher nicht.
Oder man hat vielleicht die Einschaltungen ein bisschen gekürzt, um Drucksachen aufzuwerten.

6. Sie entwickelten die geniale Swissair Werbung. Es gibt mit Bestimmtheit mehrere Anekdoten aus dieser Zeit. Können Sie uns eine verraten?
Die Swissair Werbung wurde in enger Zusammenarbeit mit den Marketing-Verantwortlichen und den Kollegen von der Werbeabteilung entwickelt. Auf der GGK-Seite partizipierten daran Dutzende von Grafikern und Textern. Meine Hauptarbeit bestand darin, beim Kunden die psychologische und atmosphärische Voraussetzung zu schaffen, aussergewöhnliche kreative Umsetzungen zu akzeptieren und zu wollen. Natürlich habe ich selber auch Konzepte, Ideen, Bildeinfälle, Schlagzeilen und Texte beigetragen. Das war aber nur möglich dank dem kongenialen Umfeld. Hier eine Anekdote: «Ihre Kampagne ist zu intellektuell, ich verstehe sie nicht,» sagt der Landesvertreter von Ägypten. «Hervorragend», antworte ich, «dann haben wir ja genau Ihre Zielgruppe angesprochen, diese hat ja nicht nur die Volksschule besucht.» Er war nicht mal  beleidigt, denn er verstand den coolen Witz logischerweise nicht.

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7. Hat Sie der Niedergang der Swissair betroffen gemacht? Ging mit der Marke auch ein Stück Werbegeschichte verloren?
Viel schlimmer: Ein Stück Schweizer Erfolgsgeschichte und Identität. Zum Kotzen, wie das ablief.

8. Sie haben nie einen Hehl aus Ihrer linksgerichteten Gesinnung gemacht. Haben Sie wegen dieser Tatsache auch Aufträge nicht erhalten?
Ich bin zwar Mitglied der SP wie schon mein Grossvater, verfechte aber klar das Grundprinzip der Sozialen Marktwirtschaft. Mit  «linksgerichtet» hat das nichts zu tun. Wir haben übrigens schon mehrere nationale Kampagnen gegen die Parolen der SP gemacht, kürzlich zum Beispiel aus Überzeugung gegen die 1:12 und die Mindestlohn-Initiative.  Tatsächlich hat aber GGK Zürich einige Budgets wegen meiner Parteizugehörigkeit nicht gewonnen oder verloren. Gewisse Konkurrenten haben dabei nachgeholfen. Die waren ja nur sauer, weil ich Jaguar fahre. Armi Sieche!

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9. Sie wurden auch als die «böse Zunge» der Werbung beschrieben. Was denken Sie: Kommt man ohne zu polarisieren nie aus dem Mittelmass hinaus?
Ich höre diesen Ausdruck jetzt zum ersten Mal. Ich bin so ehrlich, direkt, ironisch, manchmal sarkastisch: wie die Realität und die sie bevölkernden Menschen. Wer dazu den Mut nicht hat, soll lieber Schalterbeamter der AHV-Ausgleichskasse Frauenfeld-Ost werden, falls es so etwas gibt.

10. Der Einfluss auf die Werbeagenturen und auf die Werbestrategien kommen immer mehr von den Auftraggebern selbst. Dies ist nicht im Sinne eines Hermann Strittmatters, oder?
Ach was! Wenn das ein Auftraggeber nicht selber kann, ist er überfordert. Wir sind da, um Konzepte und kreative Umsetzungen für die Marketingkommunikation zu entwickeln, vorzuschlagen und umzusetzen. Die Verantwortung trägt immer der Kunde.

11. Stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, dass die Arbeit eines Werbers mehr als nur ein Beruf ist? Was halten Sie von der heutigen Werbebranche?
Werbung wäre eigentlich eine Berufung. Aber es gibt heute keine Werbebranche mehr.

Epilog:
Ich möchte wieder einmal in einem Sitzungszimmer eine Zigarette rauchen dürfen und beim Essen mit dem Kunden nicht nur Mineralwasser ohne Kohlensäure trinken können, ohne scheel angeschaut zu werden.

GGK Werbeagentur SSO_Kroko

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GGK Zürich Werbeagentur AG
Predigerplatz 10/12
8001 Zürich

www.ggk.ch

 

© Yves Seiler

Bilder: zVg

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