Seiler's Werbeblog

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Joerg Bewersdorff

Jörg Bewersdorff «Starke Marken kapitalisieren»

Der 45-jährige Norddeutsche verantwortet seit einem Jahr als CEO und Mitinhaber der Wirz Gruppe die Geschicke von Wirz Wietlisbach Dialog, welche per 1. Februar 2017 Wirz Activation heissen wird. Bevor es ihn vor viereinhalb Jahren nach Zürich an die Uetlibergstrasse zog, war er unter anderem als Texter und Creative Director bei OgilvyOne, MRM, Springer & Jacoby Direct und TBWA\ TEQUILA\ in Frankfurt, Hamburg und Berlin tätig, wo er alle relevanten Kreativ-Awards gewonnen hat. Jörg ist verheiratet und bezeichnet Golf als sein liebstes und den VfL Wolfsburg als sein schlimmstes Hobby.

Im Interview beantwortet er unter anderem die Frage, warum Wietlisbach Dialog im Firmennamen verschwindet und was er über den Zustand der Branche denkt sowie welche Bedeutung seine Zunft für ihn als pointierten Texter hat und wie wichtig Marketing-Daten sind.

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Yves Seiler: Seit gut einem Jahr bist du CEO von Wirz Wietlisbach Dialog, die in Zukunft Wirz Activation heissen wird. Warum der Namenswechsel? Wie ist der neue Name zu deuten?
Jörg Bewersdorff: Ach, das mit dem Namenswechsel ist eigentlich nicht besonders spannend. Wir fanden einfach, rund anderthalb Jahre nach dem Ausscheiden von Guido Wietlisbach aus der operativen Führung der Agentur wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, um seinen Namen aus der Firmierung zu löschen. Dass wir uns dann für Wirz Activation und nicht für Wirz Dialog entschieden haben, hängt in erster Linie damit zusammen, dass wir eben nicht nur klassisches Dialog-Marketing machen, sondern im Prinzip alles, was in irgendeiner Form mit der (durchaus individualisierten) Aktivierung von Kunden- und Markenwerten zu tun hat.

Bevor du zum CEO befördert wurdest, warst du Kreationsgeschäftsführer und CD Text. Gerade im Dialog ist der Anspruch an prägnante Texte sehr hoch. Was zeichnet einen guten Dialog-Text aus?
Nun, eigentlich doch wohl das, was jeden guten Werbetext auszeichnen sollte: Er ist möglichst aktivierend verfasst und löst beim Lesenden die gewünschte Handlung aus. Darüber hinaus hilft es, wenn er so geschrieben ist, wie wir Menschen sprechen. Texte in Schriftsprache sind schwer verständlich.

Hofkontor

Du suchst schon seit Langem nach guten Textern. Der Markt ist aktuell extrem ausgetrocknet. Hat die Branche an Attraktivität verloren? Oder wo siehst du die Gründe dafür?
Dass es immer schwieriger wird, gute Texterinnen und Texter zu finden, haben wir Agenturen uns selbst zuzuschreiben. Im Streben nach möglichst hoher Profitabilität haben wir es schon vor langer Zeit versäumt, unseren eigenen Nachwuchs auszubilden. Wobei ich mich frage, ob es auf Dauer wirklich günstiger ist, mit schlecht ausgebildetem Personal jede Menge Extrarunden zu drehen oder haufenweise Freelancer zu buchen.

Wie kam es, dass du dich für den Beruf des Texters entschieden hast? Was hast du für einen beruflichen und schulischen Background?
Nach dem Abitur hatte ich eigentlich vor allem den Plan, mit möglichst wenig Aufwand möglichst schnell sehr viel Geld zu verdienen. Ein Studium der Volkswirtschaftslehre mit anschliessendem Direkteinstieg in das Top-Management einer Grossbank schien mir dafür der geeignete Weg. Leider hatte ich übersehen, dass so ein VWL-Studium alles andere als nebenbei zu machen ist. Kurzerhand entschied ich mich darum, nach einigen Semestern von der Universität Marburg an eine private Werbeakademie zu wechseln. Wobei ich zu diesem Zeitpunkt wirklich so gar keine Ahnung von der Werbung hatte. Auch kannte ich die verschiedenen Berufsbilder nur unzureichend und bewarb mich deshalb studienbegleitend zunächst als Berater. Leider war ich für den Job vollkommen ungeeignet. Ich konnte mich und meine Kunden zwar bestens unterhalten, aber alles, was den Job sonst noch so ausmacht, wie etwa Timings aufsetzen und überwachen oder die Budgetplanung, war mir ein Graus. Glücklicherweise hatte ich einen tollen Chef, der mir die Chance als Texter gab. Der Rest war dann Fügung und der Wille, nicht nochmal alles zu verkacken.

Viele Kreative rümpfen die Nase, wenn es um dialogische Kommunikation oder Mailings geht. Du selbst findest gerade diesen Bereich der Kommunikation sehr spannend. Was unterscheidet dich von deinen eher klassisch geprägten Kollegen?
Vielleicht fangen wir mit dem an, was uns verbindet. Und das ist ganz sicher der unbedingte Wille, gute Arbeit abzuliefern. Ansonsten stimmt es natürlich schon: Wenn du abends in der Beiz gefragt wirst, welcher TV-Spot denn nun von dir sei, bist du relativ schnell fertig. Auch müsste ich meine Reisen nach Südafrika selbst bezahlen. Mich hat das nie gestört. Vielleicht habe ich meine Eitelkeiten in anderen Bereichen.


Und trotzdem scheint die Branche zu «kränkeln». Du hast mir gesagt, dass das klassische Dialogmarketing eher früher als später ausgedient hat. War das einer der Gründe, warum sich Wirz an der Firma Datalogue beteiligt hat?
Stopp mal, das kann ich so nicht stehen lassen. Ich habe nicht das Gefühl, die Branche würde grundsätzlich kränkeln. Aber es ist an der Zeit, sich in den Agenturen auf das einzustellen, was Kunden heute und morgen antreibt. Und dabei werden uns Daten und die Interpretation dieser Daten helfen. Und genau das macht Datalogue.

Ersetzen IT-Spezialisten in Zukunft Werbestrategen, da diese die Daten noch besser interpretieren können?
Nein, sie ergänzen sie. Darum sitzen sie bei uns auch immer öfter mit am Tisch.

Kann man einen Insight tatsächlich aus bestehenden Daten ableiten?
Du kannst zumindest anhand der Daten feststellen, was für Menschen ein Produkt oder eine Dienstleistung nutzen oder kaufen. Und je besser du diese Menschen kennst, desto präziser wirst du Botschaften für sie massfertigen können. Ganz zu schweigen davon, dass dir Daten natürlich auch bei der Wahl der Werbekanäle eine entscheidende Hilfe sind.

Deutschland ist im Bereich Datenmanagement der Schweiz um Jahre voraus. In der Schweiz funktioniert noch Vieles nach dem Giesskannenprinzip. Das hat mit der Grösse des Landes und damit einhergehend mit der Anzahl Bewohner zu tun. Gibt es noch andere Gründe, warum uns andere Länder derart voraus sind?
Das ist eine Fangfrage. Ich als Deutscher werde mich jetzt sicher nicht hinstellen und sagen, im Ausland ist alles besser. Ist es auch nicht. Anders vielleicht. Aber nicht besser. Also ausser dem Fussball natürlich, der ist schon besser.

ERZ Bioabfall Apfelkistenmailing

Firmen sind kritisch, wenn es darum geht, dass externe Berater Einblick in ihre Daten haben. Wie argumentierst du bei einem möglichen Neukunden, damit du ihm die Angst oder Unsicherheit nehmen kannst?
Wenn es wirklich um schützenswerte Datenbestände geht, holen wir Datalogue ins Boot und die haben die entsprechenden ISO-Zertifizierungen. Was das angeht, kann ich alle Kunden und potenziellen Kunden beruhigen.

Vor deinem Wechsel in die Schweiz warst du bei namhaften Agenturen in Deutschland tätig. In dieser Zeit durftest du unzählige Awards gewinnen. Ist es richtig, dass du aktuell Awards nur aus einem Grund einreichst, nämlich damit die Firma für junge Talente attraktiv bleibt?
Das habe ich mal so in einem anderen Interview gesagt. Na ja, vielleicht gibt es doch auch ein paar Kunden, die gerne mal auf der Bühne stehen und es schätzen, wenn ein Fachpublikum ihre Arbeit würdigt. Aber grundsätzlich habe ich schon das Gefühl: Wenn eine Agentur viele Awards gewinnt, wird sie für neue Mitarbeitende interessanter und die bestehende Crew wird wertvoller.

Man hört und liest viel über die Beziehung zwischen Deutschland und der Schweiz. Scheinbar hat die Schweiz an Attraktivität verloren. Was wäre dein Rat an einen Freund, der vorhat, seine Zelte in der Schweiz aufzuschlagen?
Ich lebe jetzt seit viereinhalb Jahren in der Schweiz, meine Frau ist vor dreieinhalb Jahren nachgezogen. In all der Zeit haben wir mit keinerlei Ressentiments oder Vorurteilen zu kämpfen gehabt. Einem Freund würde ich deswegen auch nur einen Rat geben: Komm her und benimm Dich so, wie du es von einem Gast in Deutschland auch erwarten würdest. Du musst dich nicht fürs Schwingen begeistern, aber es hilft, wenn du die Menschen nicht dafür verachtest, dass sie es toll finden, wenn sich Drei-Zentner-Kolosse ins Sägemehl hauen.

Wirz Cocktail

Du hast in grossen Städten wie Hamburg und Berlin gearbeitet. Zürich muss dann doch ein Kulturschock für dich gewesen sein. Bist du mittlerweile in der Schweiz bzw. Zürich angekommen? Lieber Zürcher Geschnetzeltes oder Berliner Currywurst?
Wir leben in Zürich, sind aber in der Welt zu Hause. Wir sind gerne hier, nutzen aber auch die Gelegenheit, weiterhin regelmässig unseren Horizont zu erweitern. Das haben wir auch in Berlin und Hamburg so gemacht. Von daher: Gerne Zürcher Geschnetzeltes und Currywurst statt Entweder-oder.

Viele Schweizer beneiden euch wegen der Sprache, der Abgeklärtheit und der Selbstdisziplin. Gibt es etwas, was du uns Schweizern abgeschaut hast?
Ich schätze den kultivierten Umgangston untereinander und im Kundengespräch. Ich habe das Gefühl, auf Dauer erreicht man so deutlich mehr, als wenn man immer direkt die Keule rausholt.

Was aktuell in Amerika passiert, macht einen zumindest nachdenklich. Bald stehen auch in Deutschland Wahlen an. Bist du beunruhigt, wenn du daran denkst?
Ja, der Gedanke an die nächsten Wahlen beunruhigt mich sogar sehr. Ich habe es mir aber zum Prinzip gemacht, mich im beruflichen Umfeld nicht politisch zu äussern. Ich kann dir aber versichern, dass ich mit Sicherheit von meinem Wahlrecht als Auslandsdeutscher Gebrauch machen werde.

Winter Challenge

Welche Zeitungen und Zeitschriften kannst du urbanen und interessierten Menschen empfehlen, welche sich für Politik, Wirtschaft aber auch für Kulturelles interessiert?
Du meinst ausser «Today’s Golfer»? Keine Ahnung, ich screene das Netz ununterbrochen nach lesenswertem Content. Vieles davon stammt von Titeln wie dem «Guardian» oder dem «Spiegel». Mein Lieblingsmagazin ist vermutlich «Monocle», online zudem auch «Good», «Foreign Policy» und ab und an «Vice». Aber im Prinzip nutze ich vor allem Multi-News Plattformen wie «Mashable» oder «Techcrunch».

 

© Interview: Yves Seiler

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