Seiler's Werbeblog

Wir schreiben über Werbung

Michèle Roten

Michèle Roten «Spitze Feder»

Sie konnte sich mit ihrer Schreibweise eine grosse Fangemeinde aufbauen. Sie war 10 Jahre lang Kolumnistin von «Das Magazin», hat Bücher und Theaterstücke geschrieben und beherrscht die journalistischen Disziplinen aus dem Effeff.

Von Ihrem Motto «Alles kann so geschrieben werden, dass man es gern liest» profitieren die Kunden der Agentur Wirz, bei welcher sie in der Content-, PR- und Campaining-Unit «Storyline» als Senior Editor ihr Können zum Besten gibt.

Erfahren Sie im Interview mehr zu dieser starken Persönlichkeit, wer sie zum Wechsel in die Agenturwelt überzeugen konnte und wen sie für einen grossen Geschichtenerzähler hält.

Yves Seiler: Du hast Germanistik, Soziologie und Kriminologie studiert. Während fast 10 Jahren hast du für das Magazin geschrieben und wurdest für dein Buch «Wie Frau sein» mit dem Ida-Somazzi-Preis ausgezeichnet. Nun arbeitest du bei der grössten inhabergeführten Werbeagentur der Schweiz. Was oder wer konnte dich zu einem Wechsel in die Werbebranche überzeugen?
Michèle Roten: Der Wer war Adrian Schräder, ein alter Freund und jetzt mein Chef. Das Was war, dass ich nach fast 20 Jahren im Journalismus Lust hatte, andere Möglichkeiten auszuprobieren, wie man schreibenderweise sein Geld verdienen kann. Das hält immer noch an – ich mag es, neue Formate auszuprobieren und den Fokus immer wieder wo anders hin zu lenken.

Was waren die Gründe für das damalige Ende von «Miss Universum»? Könntest du dir mittlerweile ein Revival mit einer wöchentlichen Kolumne wieder vorstellen?
Nein, gar nicht. Die Zeit der Nabelschau und des Teilens – meiner Meinung, meines Lebens – mit einer mehr oder weniger anonymen Masse ist für mich komplett vorbei. Genau das war auch der Grund, warum ich aufgehört habe: Ich hatte extrem das Bedürfnis, mich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, nicht mehr auf Sendung zu sein, mich nicht mehr auszusetzen. Ich bin nicht mal auf Sozialen Medien.

Ein guter Journalist muss zuhören, sorgfältig recherchieren können und alle relevanten Facts auf Papier bringen. Wie muss ein Journalist schreiben, damit seine Artikel von dir gelesen werden?
Klug und Bezüge herstellend und Zusammenhänge aufzeigend. Ich liebe es, wenn ich nach einem Artikel einen neuen Gedanken wälzen kann.

Ein Vorurteil, welches ich immer mal wieder höre ist, dass Journalisten nicht viel von Werbung halten. Wie denkst du darüber?
Diese Einstellung halte ich für ziemlich borniert. Sie gründet ja darauf, dass Journalisten sich einbilden, für die Wahrheit zu stehen und Werbung für die Lüge. Das ist ein arg vereinfachtes Weltbild. Ausserdem ermöglicht Werbung in den meisten Fällen erst journalistisches Schaffen. Solange klar erkennbar ist, wer Absender der Botschaft ist, halte ich die Leser für mündig, zu differenzieren. Ausserdem leben wir in einer sehr kritischen Zeit – mehr denn je setzen sich Konsumenten bewusst damit auseinander, was sie wem «abkaufen». Übrigens im Journalismus genau so wie in der Werbung.

Was können Werber von Journalisten lernen? Und was die Journalisten von uns Werbern?
Werber können von Journalisten lernen, dass Menschen Authentizität mögen. Echte Geschichten, echte Sprache, echte Themen, und dass sie auch damit umgehen können, wenn Inhalte nicht bis zum Gehtnichtmehr auf Gefälligkeit poliert sind. Und umgekehrt ist es für Journalisten sehr lehrreich, die wichtigsten Punkte eines Inhalts immer wieder auf die Kleinstformen der Werbung runterbrechen zu müssen.

Wirz wurde als beste PR Agentur des vergangenen Jahres ausgezeichnet. Als was bezeichnet ihr Storyline? Als PR Agentur? Als Content Werkstatt? Oder einfach als Kommunikations Unit der Wirz? Wie sieht euer komplettes Angebot aus?
Ich sage jeweils, dass wir so ziemlich alles ausser klassischer Werbung machen: Content, Social Media und PR. Und ob wir jetzt ein Konzept schreiben, Engagement Ads, ein Porträt, eine Kolumne oder ein Drehbuch für einen Content-Film: Schlussendlich ist unsere Arbeit noch immer textbasiert. Von dem her: Vielleicht sind wir einfach eine Redaktion? Wir sind mittlerweile zu sechst – und jeder hat seinen eigenen Fachbereich, seine Stärken.

Eines eurer Ziele ist es, dass die Journalisten die Kampagnen aufgreifen und in ihrem Medium aufnehmem und weiterspielen. Wie früh seid ihr mit dabei, wenn neue Kampagnen entwickelt werden? Schon zum Start des Briefings?
Unterschiedlich! Manchmal arbeiten wir bereits an den Sprungbrettern mit, sind also schon beim strategischen Teil involviert. Und später kommen wir dann für die Social Media Kampagne, den Content-Teil oder die PR ins Boot.

Habt ihr von Storyline auch eigene Kunden, welche nur euer Angebot beanspruchen?
Yup, haben wir. Aber auch auf diesen Projekten entwickelt man gemeinsam mit anderen Wirzlern Ideen, holt auch mal einen AD oder einen Interaction Designer dazu oder trifft sich mit einem klassischen Texter zum Ideen-Pingpong. Storyline ist Teil der Kreation von Wirz, kein eigenständiges Unternehmen.

Du betreibst The New New, ein Secondhand-Store in Zürich. Kannst du uns mehr darüber erzählen? Wie kam es dazu, diesen zu gründen?
Ich hatte in New York gesehen, dass es dort Secondhand-Läden gibt, die Direktankauf von Kundinnen machen. Das fand ich super und dachte, das müsste eigentlich auch in der Schweiz funktionieren. Zudem hatte ich zu der Zeit grosse Lust, mal etwas ganz anderes zu machen, irgendwas auf die Beine zu stellen, etwas zu reissen. Dann kam mit einer Bekannten von mir die perfekte Partnerin dazu, das ideale Lokal wurde frei und alles ging ganz schnell.

In deiner Rolle bei Wirz musst du dich im Rahmen eines Briefings bewegen. Am freiesten bist du sicherlich, wenn du ein Buch oder ein Theaterstück schreibst.
Ja, wobei diese Freiheit auch ein grosser Druck sein kann – aus allem, was es auf der Welt und in meinem Kopf gibt, auszuwählen, ist ziemlich überwältigend. Ich mag es generell sehr gern, wenn ich einen klaren Auftrag habe. Ein Thema, eine Stossrichtung – und in der Werbung kommen jetzt noch die Interessen der Kundin dazu; so wird das Schreiben zu einer Art Problemlösung und das befriedigt meine pragmatische Seite sehr.

Liest du viel? Was gehört zu deinem bevorzugten Content?
Ich bin sonst nicht so der ritualisierte Mensch, aber seit ich lesen kann, lese ich jeden Abend vor dem Einschlafen. Auch angetrunken um sechs Uhr morgens noch. Seit einer Weile allerdings fast ausschliesslich medizinisch-wissenschaftliche Bücher, kaum mehr Belletristik.

Du bist Mutter, die schönsten Geschichten schreibt in der Regel sowieso das Leben, oder?
Mein Sohn ist ein grosser Geschichtenerzähler. Ich find’s ganz interessant zuzuschauen, wie sich sein Gefühl für Aufbau und Pointe entwickelt. Wir kommen der Sache immer näher.

 

©Interview: Yves Seiler

 

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