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Michael Kathe: Seiler's Werbeblog

Michael Kathe «Michael rezensiert #17»

Trotz der bevorstehenden Sommerferien, trotz Hitze über jeglicher Norm, trotz Arbeit und Schweiss hat sich Michael Zeit genommen und für Sie in die Tasten gehauen. Doch wer Michael kennt, der würde wohl eher sagen, er hat die Tasten gestreichelt, da dies mehr zu seiner sympathischen Art passt. Ob er auch sanfte Rezensionen geschrieben hat? Lesen Sie doch gleich selbst.

**Fondation 30 millions d’amis: We are the champions
Die Regeln zum Einsatz berühmter Songs sind: Die Stimmung muss den Spirit des Spots transportieren. Der Text sollte dem Spotinhalt nicht widersprechen und mehr noch: mindestens eine gut verständliche Zeile sollte den Spotinhalt unterstützen. All das macht der Song in diesem französischen Spot für eine Organisation, die sich gegen das Zurücklassen und Aussetzen von Tieren im Sommer engagiert. Nur wird „We are the champions“ für einmal nicht eindimensional-heroisch eingesetzt, sondern als zynischer Kontrapunkt, im besten Sinn:

***Euphejisms: Get Your Prostate Checked
Euphemismen sind beschönigende Wörter. Euphe-Jisms sind beschönigende Wörter für Dinge, die durch die Prostata fliessen. Peinlich? Darum versetzt uns der folgende Spot in eine Welt, die an das frühe 20. Jahrhundert gemahnt – als man sich von Sigmund Freud bis zu den Surrealisten noch mit Symbolen, Umschreibungen und Verdichtungen für das verdrängte Sexuelle herumschlug. Heute ist Pornografie in aller Munde und „in your face“ präsent, doch was den Verlust von sexuellen Vergnügen bei Prostataproblemen angeht, sind wir Männer immer noch nicht so gesprächig. Der Weg ist also frei für eine unglaubliche Menge an unglaublich witzigen Wortkombinationen, die uns den Umgang damit erleichtern können: „Whatever you call it, the prostate makes it possible.“ Und ein Buch gäbs auch noch dazu.

**New York Lottery
Kein bedeutender Spot, aber eine naheliegende, liebevolle Idee. Während wir von Lotterien weltweit immer nur die grössten Paläste und die unglaublichsten Lebensentwürfe als Träume vorgesetzt bekommen, gibt sich die Vorreiterin all dessen, mit den besten Spots und dem besten Lotto-Claim ever („Hey, you never know“), die New York Lottery, für einmal ganz entspannt und bescheiden. Denn es geht um die „Cash for Life“-Lotterie, die der Gewinnerin oder dem Gewinner monatlich 1000 Franken einbringt. Und das spart heutzutage niemand mehr für eine Villa, sondern gibts einfach zusätzlich aus … schleck:

***NZ Transport Agency: Let Driving Distract You
Ein ganz einfacher Spot mit einer interessanten Wendung: Ein Auto zu fahren bietet dir die Gelegenheit, dich kurz aus deiner Smartphonesucht auszuklinken. Das führt nicht nur zu weniger Strassentoten, sondern es hilft auch dir. Um diese Botschaft zu transportieren, werden uns erst eine Minute lang alle möglichen Lebenssituationen unseres exzessiven Handygebrauch aufgezeigt, immer haben wir das Teil vor unseren Augen.

Wie so viele andere Web-Spots ist auch dieser eher zu lang (ja, der Nachteil, dass man nicht mehr ausschliesslich für teure Werbeblöcke produziert), doch die neuseeländische Agentur Clemenger BBDO Wellington hat sich was einfallen lassen: ein Objekt, das keine Relevanz für Spot und Story hat, aber immer wieder auftaucht. Ein stumm staunender Pantomime, der seinem Erschrecken über die Sucht der Menschen immer mehr Ausdruck verleiht. Blink and you’ll miss it:

**Apple AirPads: Bounce
Bei Apple lässt sich gut beobachten: Wenn Innovationsführerschaft unwichtiger wird, verändert sich die Werbung. Waren Apple-Kampagnen nach Erfindung des iPhones vor allem elegante Erklärfilme, so veränderten sie sich nach und nach zur Dramatisierung von Produktevorteilen („Shot on iPhone 6“) und enden schliesslich in der Darstellung von UAPs.

Für die zweite Generation von Apples cleveren Blootooth-Kopfhörerchen, den AirPads, werden jedenfalls keine Produktevorteile kommuniziert, sondern einfach das Feeling rübergebracht. Das softe, federnde Hüpfen, wenn man sich mit den AirPads im öffentlichen Raum bewegt. Der Protagonist wird uns als gelangweilter Mensch gezeigt, der mit den Knöpfchen im Ohr den Jazz lernt (Song: „I just learnd some Jazz today“) und die Welt neu erlebt. Beschwingt. Abgesehen von einer seltsamen Eskapade neben einer lesenden Frau auf der Bank (will er sie anmachen? Ist Lesen weniger langweilig als AirPads?) ein solider Feelgood-Spot, der den Weg in die Cannes-Ränge (nicht die höchsten) schon finden wird:

*New Zealand: Good morning world
Tourismus Neuseeland hat einen USP für sich entdeckt: Neuseeland ist weltweit das erste Land, in dem die Sonne aufgeht. Good morning world. Diese freundliche Begrüssung können wir täglich von glücklichen Touristen erleben. Abonnieren kann man das auf allen sozialen Medien (s. Webadresse unter dem Youtube-Video) – der Spass ist inzwischen bei Tag 23 angelangt (die Aktion läuft 365 Tage):

©Text: Michael Kathe

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