Seiler's Werbeblog

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Matthias_Kiess TBWA_Schweiz

Matthias Kiess «Mr. TBWA\»

In den letzten 12 Monaten habe ich WIRZ sehr stark wahrgenommen und das hat jetzt nichts mit Arbeitgeber-Patriotismus zu tun und vor allem auch TBWA\. Ähnlich wie das vorher bei Publicis der Fall war, konnte man das letzte Jahr sehr viel über diese beiden Agenturen lesen. Höchste Zeit für mich mehr über TBWA\ und die Personen dahinter zu erfahren. So traf ich mich mit dem CEO zum Lunch und einem spannenden Gespräch.

Matthias Kiess als TBWA\ CEO muss in letzter Zeit sehr viel richtig gemacht haben und wenn das nur schon daran liegt, dass er die richtigen Leute um sich platziert hat und diese mit viel Empathie führt. Was viele nämlich gar nicht wissen: TBWA\ ist, was die Man- oder Women-Power betrifft, bei weitem keine Publicis oder eine Jung von Matt. TBWA\ ist viel kleiner und trotzdem ist es der Agentur gelungen mit Neukundengewinnungen (Coop) und Awards (McDonald’s) sehr auf sich aufmerksam zu machen.

Erfahren Sie im nachfolgenden Interview mehr zur Person Matthias Kiess, zur Agentur, zur McDonald’s Kampagne und vielem mehr.

Yves Seiler: Du hast für die Werbebranche alles andere als einen klassischen Karriereweg hingelegt. Als junger Mann hast du die Matura C gemacht, dann warst du für ein Jahr in Florenz bevor du dann an der ETH das Studium der Pharmazie absolviert und abgeschlossen hast. Wie sah deine damalige Karriereplanung aus? Die Werbung muss zu diesem Zeitpunkt noch sehr weit weg von dir gewesen sein.
Matthias Kiess: In einer ersten Phase war ich tatsächlich sehr naturwissenschaftlich und akademisch ausgerichtet. Nach einem Jahr an der Dissertation zum Thema «Sekundärstrukturanalyse von Peptiden anhand von Circulardichroismus-Spektroskopie» musste ich eingestehen, dass dies wohl doch nicht meinem Weg entsprechen wird und ich wohl kaum längerfristig im Bereich Forschung tätig sein werde.
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Sehr schnell bist du im Marketing gelandet. Warum war das die richtige Richtung für dich?
Ich hatte schon während des Studiums mit einem sehr unternehmerischen Apotheker zu tun, der ein Start-up im Bereich Mineralstoffe lanciert hat, bei welchem ich mitwirken durfte. Dies hat mir aufgezeigt, dass ich mich im Marketingumfeld sehr wohl fühlen kann. Entsprechend war mein erster richtiger Job nach der ETH Zürich eine Anstellung als Projektleiter bei der Dr. Schlegel Pharmamarketing, damals mit über 40 Mitarbeitenden die führende Pharmaagentur im Schweizermarkt. Dort habe ich mich richtig wohl gefühlt und meine Marketingkarriere nahm ihren Lauf.

Dein pharmazeutisches Wissen hast du dann vorerst nur bei deiner Anstellung bei Dr. Schlegel benötigt, bis es dann zu TBWA/Health kam. Kannst du uns mehr zur Grundidee verraten? Was für eine Aufgabe hat die Einheit heute innerhalb der TBWA\?
TBWA\Health hatte schon immer die Absicht, fachliche Kompetenzen im Bereich Healthcare vereint mit Kommunikationskompetenzen den Kunden zur Verfügung zu stellen. Dieses Offering startete im 2006 mit dem Erstkunden Pfizer durch und hatte zwischenzeitlich doch Umsatzanteile bis zu 15%.

Du bist Vater von drei Kindern. Wenn du dich nur für eine Sache entscheiden könntest, was würdest du ihnen mit auf den Weg geben? Welche Eigenschaft scheint dir in der heutigen Zeit die wichtigste, um erfolgreich durchs Leben zu kommen?
Hmmm… das ist eine gute Frage und eine Schwierige zugleich. Ich glaube, dass es nicht nur beispielsweise in meinem Job, sondern generell wichtig ist, Empathie zu entwickeln und die Fähigkeit zu haben, auf seine Mitmenschen eingehen zu können. Dies hilft in jeglicher Lebenssituation, sei es privat oder im Job.


Als CEO und im Umgang mit Kreativen musst du empathische Fähigkeiten mitbringen. Würdest du von dir behaupten, dass die Führungsstärke eine deiner Hauptstärken ist?
Ups, hätte ich diese Frage vorher gelesen, dann hätte ich obige Antwort vielleicht anders formuliert. Aber ich sehe, Du hast mich gut gelesen. Tatsächlich scheint das auch eine meiner Hauptstärken zu sein. Ich versuche immer Fakten miteinzubringen (bin nämlich durchaus auch sehr analytisch… meine naturwissenschaftliche Ader), diese dann aber auch in einen Kontext zu stellen und dem Team Selbstverantwortung mit den entsprechenden Kompetenzen zu übertragen.

In der Beratung ist es so schwer wie noch nie, die richtigen Leute zu finden. Was muss die Branche tun, damit der Nachwuchs wieder gewillt ist, sich weiterzubilden und sich die Arbeit in einer Agentur vorstellen kann?
Ich denke, dass unsere Branche trotz allen Unkenrufen immer noch sehr attraktiv ist. Die Aufgaben sind spannend und vielfältig und entsprechen trotz allem einem modernen Zeitgeist. Beim LSA (u.a. in der Ausbildungskommission) sind wir sehr damit bemüht, neue Talente in unsere Branche zu bringen und auch entsprechende Weiterbildungen anzubieten. Nebst der Steigerung des Angebotes muss auch die Kommunikation desselben forciert werden, was nun ebenfalls vermehrt stattfindet.

Du bist eher Naturmensch. Wie wichtig sind dir deine Hobbys wie Biken, Skifahren, Wassersport für den Ausgleich?
Da ich über vielfältigste Themen zeitlich stark eingebunden bin, verbleibt relativ wenig Raum diesen Freizeitbeschäftigungen nachzugehen. Aber wenn ich zu lange in einem geschlossenen Raum sitze, muss ich raus und die Luft der Natur atmen. Dies bietet sich natürlich auf dem Bike, beim Wandern oder Skifahren gut an. Und auch wenn es nur für ein paar wenige Stunden ist, aber der Erholungsfaktor ist riesig.

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Seit 2012 bist du nun CEO von TBWA\. Man hat das Gefühl, dass in den letzten Jahren unglaublich viel bei euch passiert ist. Die McDonald’s Kampagne muss der Agentur nochmals zusätzlichen Schub gegeben haben. Aus deiner Sicht?
Nun, es könnte natürlich immer mehr sein. Eine im Markt bekannte Agentur claimt unter anderem als eines ihrer Mottos «Wir sind immer unzufrieden», was ich durchaus nachvollziehen kann. Auch wenn ich in der Regel das Glas halbvoll und nicht halbleer sehe, habe ich doch auch eine gewisse Rastlosigkeit in mir und den Drang, Dinge zu verbessern und den Erfolg am Markt zu steigern. Wir sind noch nicht da, wo ich gerne wäre, bin aber dennoch dankbar, dass wir bereits so weit gekommen sind.

Und jetzt arbeitet ihr auch noch für Coop. Spürst du viele Neider im Nacken? Oder ist es ganz anders und die Leute gönnen euch den Erfolg?
Die Leute haben uns mittlerweile kennengelernt und wissen, dass wir wohl einige schweizerische Eigenschaften trotz internationalem Netzwerk bei uns vereinen. Wir haben alle lange und beharrlich gearbeitet, um dahin zu kommen, wo wir heute sind. Und leben dies mit einer Bescheidenheit, ohne langweilig zu sein. Entsprechend denke ich, dass der Anteil der Missgunst eher klein ist und dass uns der Erfolg gegönnt wird.

Wie empfindest du die Stimmung unter euch CEOs der Grossagenturen? Tauscht ihr euch gegenseitig aus? Hilft ihr euch auch oder arbeitet am Ende dann doch jeder autonom?
Es ist uns allen bewusst, dass wir in einem Haifischbecken unterwegs sind und jeder für sich und sein Unternehmen schauen muss. Dennoch nehme ich grundsätzlich einen sehr positiven Austausch und freundlichen bis freundschaftlichen Umgang untereinander wahr. Wir sitzen letztendlich alle im gleichen Boot und müssen auch Brancheninteressen gemeinsam vertreten.

Warum sollte ein Marketer einer Grossunternehmung TBWA\ als Leadagentur wählen?
Nun, das tönt jetzt etwas nach einem Elevatorpitch. Seit anfangs Jahr haben wir uns umstrukturiert und arbeiten mit zwei Schwerpunktbereichen: Business- und Brandstrategy und Brand Experience, in welchem drei autarke, interdisziplinäre Teams verschiedene Kundengruppen betreuen. Dies erlaubt uns, noch mehr Fokus auf die Strategieentwicklung zu geben und auf eine starke Markenführung zu achten. Dabei haben wir unter anderem mit unserem Zeitgeist-Spotter Approach einen Schwerpunkt im Bereich Audience Intelligence gelegt. Die konsequente Anwendung unseres Disruption-Ansatzes führt zu kreativen Lösungen, die unsere Kunden nachhaltig weiterbringen. Und der Kunde und die Beziehung zum Kunden steht für uns immer im Zentrum.

Es gab aber bestimmt auch Rückschläge. Welche waren das?
Natürlich ist man immer wieder auch mit personellen Themen beschäftigt, die einen berühren. Man verliert gute Leute oder muss Personen entlassen, was nicht nur einfach ist. Und wie wir wissen, ist der Verlust von Talent für eine Agentur bremsend und manchmal auch kulturell belastend. Was uns in den letzten zwei Jahren am meisten getroffen hat, war der Verlust von Sunrise. Aus unseren Augen war der geführte Pitchprozess unfair und bereits im Vornherein entschieden. Nach vier Jahren vollem und erfolgreichem Einsatz, war der Abgang dieser Marke ein herber Schlag.

Kannst du uns die Gründe für den Abgang deines CDs Bruce Roberts verraten?
In den letzten zwei Jahren hat die Agentur sehr viel Dynamik entwickelt und entsprechende organisatorische Anpassungen waren die Folge, wobei Bruce zwar eine tragende Rolle zugewiesen bekommen hat, sich aber mit dieser nicht ganz identifizieren konnte. Dies, gepaart mit einem langjährigen und intensiven Einsatz, haben ihn veranlasst, nun einmal eine Pause einzulegen und sich neu zu orientieren.

TBWA\ beschäftigt knapp 50 Mitarbeitende. Ich habe immer geglaubt, dass die Agentur viel grösser ist. Ihr seid eine Netzwerk Agentur. Was sagen die Netzwerkler zum Schweizer Ableger? Herrscht grosse Zufriedenheit?
Grundsätzlich ist die Zufriedenheit hoch und die erzielten Ergebnisse sind sehenswert. Doch wie bereits oben erwähnt, wissen wir sehr genau, wo wir stehen und wo wir noch hingehen wollen. Und dies sieht das Netzwerk (aktuell Network of the Year 2018 und entsprechend an der Spitze) natürlich auch, weswegen nach wie vor ein grosser Anspruch an uns vorhanden ist. Der Austausch ist allerdings vornehmlich inspirativ und konstruktiv. Insofern habe ich nichts zu bemängeln.
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Und wie zufrieden bist du mit dem Stand der Agentur? Wo siehst du aktuell die grössten Baustellen?
Wie alle Agenturen beschäftigen auch wir uns mit der Frage, wie wir zukünftig noch Geld verdienen werden und welche Leistungen nachhaltig im Markt gefragt sein werden. Wo setzen wir Schwerpunkte, wieviel Investment braucht es dazu und wie können die resultierenden Incomemodelle definiert werden. Werden wir zum Innovationspartner, zum Businessconsultant, redaktionellen Contentproducer oder Filmproduzenten? Welche digitalen Services bauen wir inhouse auf, welche lagern wir aus? Welches sind Partner, mit welchen wir eine gemeinsame Zukunft bauen wollen, welche nicht? Viele Fragen, die nicht nur heute, sondern auch morgen beantwortet werden müssen. Es wird einem nie langweilig.

Aktuell bist du zudem im Verwaltungsrat dreier Firmen. Entweder hast du irgendwo ein heimliches Reservoir an Energie versteckt oder du kannst gut delegieren. Oder wird es dir dann doch manchmal zu viel? Was von all dem trifft es am meisten?
Ganz selten gibt es Augenblicke, wo ich sage, jetzt platzt mir dann der Kopf. Aber ich scheine schon ein sehr grosses Energiereservoir zu haben und kann zudem auf ein tolles Team setzen, das mir viel Arbeit abnimmt.

Zum Abschluss die Frage nach dem Frauenstreik: was bleibt vom Frauenstreik für dich hängen? Gibt es Punkte, die ihr als Agentur konkret anpassen wollt?
Nein, eigentlich nicht. Wir haben nahezu zwei Drittel Frauenanteil in der Agentur und Frauen sind bei uns in jeder Stufe präsent und tragen ihren Wert genauso bei, wie die männlichen Kollegen. Da gibt es keinen Unterschied. Mit „Take the lead“ wurde bei TBWA\ bereits vor drei Jahren eine weltweite Initiative gestartet, welche sich gezielt mit Frauenförderung und Gleichberechtigungsthemen befasst. Dies wird bei uns sehr ernst genommen und auch aktiv gefördert. Meines Erachtens handelt es sich hierbei um einen laufenden Prozess, welcher nie aufhören wird und immer seine Aufmerksamkeit haben muss.

©Interview: Yves Seiler

Foto (Matthias Kiess): Christian Dancker

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