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Michael Kathe

Lang, lang, langsam – Drei Spots, präsentiert von Michael Kathe.

Long lasting: Axe
In den 2010er Jahren stand Axe-Werbung für die gigantische Überzeichnung einer Wunschvorstellung: Jeder Mann kann unglaublich begehrenswert sein – wenn er die richtigen Pheromone aussendet. Einfach Axe einsprühen und Frauen einkassieren, der «Axe-Efffect». Das war zum einen eine stark ironisierte Wunschvorstellung, zum andern aber auch die altchauvinistische Lüge, dass jeder Mann per se begehrenswert sei. Selbst der grösste Langeweiler kann die bestaussehendste Frau erobern – denn Axe funktioniert nach einem mechanischen Gesetz, nicht über den Intellekt. Männer seien Männer und würden nicht wie Frauen nach Beauty-Hierarchien eingeteilt.

Nach #metoo konnte sich Axe diesen Chauvinismus nicht mehr leisten, der «Axe Effect» der aus der Zuspitzung von normal-hässlichem Mann und Supermodel-Frau entstand, musste neu erfunden werden. Trotzdem wollte Axe seinen «Axe-Effect» nicht über Bord werfen, denn die Produkteinnovation Axe im Jahr 1983 (eine Kombination von Deo und Parfüm) basiert immer noch auf pubertierenden männlichen Teenagern.

Mit dem Spot «The Walk» (2021) wurde ein «neuer Axe Effect» proklamiert, der nicht mehr eine oder mehrere Frauen zu sexueller Hingabe verleitete, sondern die ganze Welt (und mit ihr die Frauen) in eine positive, dem Teenager zugewandte Stimmung versetzte. Teenage Angst und pubertäre Verunsicherung im Angesicht der Welt aufhebend, in einer bunten, hellen, surrealen Welt:

Im neuen Spot «Long lasting» rückt Axe wieder näher ans ursprüngliche Männer-Frauen-Thema heran. Ein junger Mann, durchaus selbstbewusst in Ledermontur, und doch etwas schüchtern. Wie ein Uhrzeiger nähert er sich einer Frau an in einem abgerundeten 3-Meter-Sofa. Mit Vorsicht und Abwägen statt mit überheblichem Draufgängertum. Die kurzhaarige Frau gegenüber ist auch nicht sofort Feuer und Flamme, sondern schläft sogar einen Moment ein, schnarcht, bis ihr der Duft endlich genug in der Nase kitzelt:

Der Abbinder «For when it takes you longer» ist dann doch ein bisschen frech (Anmache könnte auch kürzer gehen – tut es aber nicht?!). Die Metapher einer Annäherung, in der der Frau männlich-konnotierte Attribute zugewiesen werden (schnarchen, nicht aufreizend angezogen) und dem Mann weibliche (Schüchternheit, sexy Lederdress).

Unbelievably long lasting: Old Spice
Konkurrent «Old Spice» macht es sich da vermeintlich einfacher, indem der neue Spot «Unbelievably long lasting» (gleich betitelt wie Axe!) in eine reine Männerwelt gesetzt wird. Auf einem Piratenschiff, auf dem sich nur stinkende Füsse, Fischgräten, ekelhaft riechende Typen und ein «stinking stinking»-plappernder Papagei befinden, entdeckt der gerissene alte Kapitänsberater einen geradezu glamourös gekleideten Mann, der – Skandal! – auch noch gut riecht. Sofort als Eindringling beschimpft soll er über Bord geworfen werden – was mit einem Happy-End versehen auch geschieht:

Männer sind (und bleiben) also Piraten (die Metapher dürfte man durchaus  auch hinterfragen). Doch Old Spice positioniert sich nicht als das Deo/Parfüm, das jedermann einsprüht, sondern als das, das die smarten, attraktiven Männer benutzen. Diejenigen, die sich auch von der Männerbündelei lossagen können und auf einem Seepferd in den Sonnenuntergang reiten werden. Mit drin also: Für Old Spice braucht es ein wenig Mut, um nicht mehr zu den Konformisten und Mitläufern zu gehören, sondern auszubrechen – dafür sind die Segnungen danach unbeschreiblich.

Slow Motion: iPhone 16 Pro
Der neue iPhone-Spot führt uns in eine Welt des Hyperrealen, also eine Welt, in der es keinen Unterschied gibt zwischen «real» und imaginär» – also die heutige Welt, immer mehr. iPhone demonstriert das an zwei Typen: einem Bedenkenträger und einem «Main Character» (natürlich ein Afroamerikaner: in allen vorgestellten Spots sind Afroamerikaner die Cleveren und Coolen). Der Bedenkenträger gibt zu erkennen, dass Zeitlupe gerade bei einer Explosion gefährlich sei. Der Main Character betont, dass filmische, epische Visualität nur in genau dem Moment erreicht werden kann.

Der iPhone-Spot inszeniert die Geschichte nicht als reales Ereignis, sondern als Filmrealität. Indem der SloMo-Teil die Szene «more cinematic» macht, wird das Filmische über das Reale gestellt. Der Bedenkenträger stellt reale Fragen, der Main Character gibt hyperreale Antworten – letzterer identifiziert sich als rein filmischer Charakter – ist also vollständig medial geprägt. Mit dem Schlusssatz «Don’t look back, it ruins it» verkauft sich das iPhone mit seiner Kamera definitiv als beste Möglichkeit, in einer hyperrealen Welt zu leben. Natürlich mit ironischem Unterton, denn irgendwie will man die Realität nicht ganz loslassen.

Text: Michael Kathe

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