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Pepsi

Pepsi und der Shitstorm

Pepsi-Proteste
Pepsi hat sich verrechnet. Der Getränkekonzern schaltete vorletzte Woche einen Spot, der in kürzester Zeit einen lauten, überall präsenten Shitstorm provozierte. Letzten Mittwoch beschloss PepsiCo, den Spot seines Flagship-Produkts zurück zu ziehen. Der Inhalt in aller Kürze: Pepsi stellt ein Supermodel und (noch schlimmer:) Reality-TV-Starlet, das keinen Bezug zu Bürgerrechten und Protestbewegungen hat, an die Spitze einer Demo – und mit Pepsi schafft sie die Aussöhnung zwischen Protestierenden und Polizei:


Pepsi hat sich seit den Achtziger Jahren als jünger, trendiger und frischer verkauft als Coca Cola. Pepsi war am Puls der Zeit – zumindest in den hedonistischen Achtziger Jahren, in denen man sich in den USA nicht um protestierende Jugendliche zu kümmern brauchte. Die Subkultur in den Staaten war klein und nur in wenigen Städten präsent, Jugendtrends wie New Wave kamen in derart verwässerten Kleidern, Musiken und Ideologien in die USA, dass Pepsi sich mit wenig Zutun und ein paar wirklich kreativen Highlights zur Stimme der Jugend erheben konnte. „The Choice of a New Generation“ basierte auf einer zu konsumistischen Einschätzung der Jugend.

Inzwischen sind 30 Jahre ins Land gegangen und die neue US-Generation protestiert gerade gern, soviel weiss Pepsi. Auch wenn dem Süssgetränkehersteller nicht ganz klar scheint, wofür. Darum werden eher so ravige Neunziger-Jahre-Botschaften wie „Peace“, „Love“, Herzlein, „Join the conversation“ auf die Plakate der Demonstranten geklatscht. Dass Kardashian-Küken Kendall Jenner zufälligerweise gerade an jenem Ort ein Shooting im silbernen Minikleid hat, sich spontan an der Demo beteiligt und schliesslich mit einer Pepsi-Büchse (von der unklar ist, woher sie kommt, lag sie beim Shooting auf, oder begleitet die Pepsi-Schale die Demonstranten?) die gewaltbereite Exekutive befriedet, ist eine inhaltliche Verrenkung, wie sie sonst nur ein Donald Trump hinkriegt. Natürlich wollte Pepsi alle möglichen jungen Zielgruppen in einen Spot pressen, doch das ist auf vielen Ebenen misslungen. Die Fashionista Kendall Jenner erhebt sich geradezu über die protestierenden Massen (die sich wohl eher als Gruppe voller Individualisten sieht und Bernie Sanders Kendall Jenner vorzieht) und stiehlt denen die Show, indem sie die Situation so einfach mit einer Insignie des US-Kulturimperialismus befriedet. Sie bekämpft also den Teufel mit dem Beelzebub.

Geradezu als Bilderschändung dürfte ausserdem wahrgenommen werden, dass die Blumen-in-den-Gewehrlauf-Aktionen während der Vietnamproteste 1967, die doch einiges an Mut erforderten, jetzt so easy zum Produkteshot verkommen. Und notabene fotografiert von einer Muslima im Hidschab – die auch zufällig an den Protest herangelaufen ist und eher die Chance auf ein tolles Bild wahrnimmt als an den weissen Protesten interessiert. Sie muss sich eben über Reportagebilder Respekt verschaffen, während der weisse Fotograf derjenige ist, der die glamourösen Fotoshots von Kedall schiesst.

In diesem Spot werden Glamourberufe und Jugendkulturen ziemlich absurd durcheinander gewirbelt. Alles in allem hat Pepsi seit den Achtziger Jahren offenbar den Einfluss der Political Correctness im Denken von Teilen der Jugend völlig verpasst (bzw. nicht ernst genommen). Anders ist das Pepsi-Debakel nicht erklärbar.

© Text: Michael Kathe

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