Seiler's Werbeblog

Wir schreiben über Werbung

Pass_the_Heinz

Schweizer Werber zu «Pass the Heinz»

«It’s clean, it’s simple and it’s tantalisingly incomplete.» So will Don Draper seine Heinz-Kampagne in den frühen Sechziger Jahren in der Serie «Mad Men» verkaufen.

Pass the Heinz   Pass the Heinz

Jetzt, 2017, ist sie verkauft und hängt auf Plakatwänden in New York. Die neue Print- und Out of Home-Kampagne von Heinz in den USA stammt tatsächlich aus der TV-Serie «Mad Men». Die Verantwortlichen von Heinz finden die Kampagne derart gut, dass diese Kampagne nun in den USA eingesetzt wird. Eine Kampagne, die weit über 50 Jahre alt sein sollte.


In der Serie wurde die Kampagne abgelehnt, weil sie zu modern war. Tatsächlich ist sie formal und inhaltlich exakt dem Stil von Doyle Dane Bernbach nachempfunden, als stamme sie tatsächlich von den grossen Innovatoren der Werbung.

Aktuell wird uns die Heinz-Kampagne nun in den Werbe- und anderen Medien als immer noch moderne, ja heisse Kampagne, als Kampagne mit «Ideen, die so gut sind, dass sie nie altern», verkauft.

Aber ist sie das wirklich? Ist die Kampagne auch heute noch gut?

Michael Kathe fragte Schweizer Werber und  das meinen die Kreativen zum PR-Coup:

 

Frank Bodin

Frank Bodin

Die Idee war damals richtig gut für die Marke Heinz (die einen grossen Bekanntheitsgrad und wenig Konkurrenz hatte), für den Markt USA, für das Medium Print. Und die Idee war damals frisch – Werbung für ein Produkt zu machen, ohne das Produkt zu zeigen, war neu. Natürlich kann man den Mechanismus je nach Briefing auch heute noch anwenden und gut finden. Aber das ändert nichts daran, dass die Idee von gestern ist.

 

Livio Dainese

Livio Dainese

«Her mit dem Heinz, ich mach‘ mein Essen rasch noch ein bisschen besser!» Ich mag das. Es ist selbstbewusst und suggeriert ein geflügeltes Wort. Die Begehrlichkeit eines Produktes zu unterstreichen, indem man es nicht zeigt, ist zwar nicht neu, funktioniert in dem Fall aber gut.  

Preise regnen wird es mit Sicherheit. Nicht aber für die Plakate, sondern für die eigentliche Idee: Eine Kampagne aus einer weltbekannten TV-Serie in der Realität umzusetzen und mit der Diskussion über die drei Plakate weltweite, unbezahlte Reichweite zu erhalten. Clever.

Axel Eckstein

axel_eckstein

Die «Pass the Heinz»-Kampagne ist in der Tat glaubwürdig einem damals existierenden Werbestil nachempfunden. Freigestelltes Objekt in Supernahaufnahme auf Weiss plus sehr kurze Headline in schwarzer Typo, häufig auch ohne Logo. Intelligenz schlägt Branding war die Devise. Ein Stil, der bis in die Achtzigerjahre auch die Kreativ-Werbung im deutschsprachigen Raum prägte. Aber nicht länger und deshalb heute auch chancenlos in der Kategorie Print. Wie es aussieht, wenn es noch reduzierter ist, hatte TBWA Paris bereits im Jahr 2013 für McDonald’s gezeigt. Aber selbstverständlich ist der Heinz-Case ein Winner in der Kategorie PR.

 

Dominik Imseng

dominik imseng

Es gab zwei Momente, in denen diese Kampagne Werbegeschichte geschrieben hätte. Leider wurden beide verpasst. Der erste Moment wäre 1968 gewesen – im Jahr also, in dem Don Draper in der Serie die Idee «Pass the Heinz» präsentiert. Hätte das Ketchup-Unternehmen damals tatsächlich eine Kampagne ohne Produktabbildung und Logo geschaltet, wäre diese in die Werbeannalen eingegangen. Der zweite Moment, in dem «Pass the Heinz» Werbegeschichte geschrieben hätte, wurde im April 2013 verpasst. Damals hätte Heinz die Kampagne in derselben Woche lancieren können, in der die entsprechende «Mad Men»-Folge lief. Eine PR-trächtige Kooperation, die man bestimmt auch in Südfrankreich gut gefunden hätte. Fast vier Jahre später versucht Heinz nun aber auf das Trittbrett eines Zugs zu springen, der längst abgefahren ist, und das ist keine gute Idee. Bleibt die Frage, ob die Kampagne auch ohne jeden Bezug zu «Mad Men» etwas taugen würde. Also einfach eine Portion Pommes (ohne Retro-Optik) und darüber die Headline «Pass the Heinz». Wäre das eine gute Idee? Ja. Aber auch eine gute Kopie, von «Got milk?» Und wie immer ist das Original besser.

 

Dennis Lück

Dennis Lueck

«Erst einmal muss ich sagen, dass das ein absoluter Genie-Streich ist. Für mich einer der PR-Gags des Jahres – auch mit Garantie auf Kreativ-Awards an allen Festivals. 
Da lege ich mich fest. Zur Frage: Ja, klar. Natürlich würde das auch heute noch funktionieren, auch genau mit dieser Machart. Tut es ja auch, wie man sieht.  Die vermeintlich 57 Jahre alte Idee löst auch heute noch das Kopfkino aus. Im Bild fehlt das Produkt, auch der Produktname ist nur halb genannt. Man hat die umgangssprachliche Variante «Pass the Heinz» verwendet, anstatt «Pass the Heinz Ketchup».

Auch das trägt zur Echtheit bei. Auch zeigt man den Ketchup nicht, sondern nur die Situation, in der das Bedürfnis nach Ketchup thematisiert wird. Die Darstellungsart, nämlich den Look der 60er zu verwenden, hat etwas Traditionelles, und Traditionelles hat immer was Vertrautes. Auch das war also gut gewählt. Jetzt hat man auch noch eine 57 Jahre alte Anzeigen-Serie in viralen Content verwandelt. Das muss man erst einmal schaffen. Ich verneige mich und sage: «Verdammt, war das clever.»

 

Markus Rottmann

Markus_Rottmann

«Pass the Heinz» ist einer dieser Einzeiler, die wohl in jedem Jahrzehnt das Zeug zur Kampagne hätten. Neben der plakativen Wucht würden ihm 2017 aber auch zeitgemässere Umsetzungen gut anstehen. Bei den gegenwärtigen Ansprüchen seitens noch so treuloser Kunden, ist die Produktion einer kompletten Fernsehserie zum Verkauf einer Kampagnenidee wohl leider zukunftsweisend.

 

© Michael Kathe

 

 

 

Show More

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.