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Ian Lemmy Kilmister «Ein Nachruf»

Ein Nachruf für Lemmy Kilmister und die Frage wie weit darf Werbung gehen.
Mit Lemmy Kilmister hat die Welt am 28. Dezember 2015 eine der wohl grössten Ikonen des Rock ’n’ Roll’s verloren. Der 1945 an Heiligabend in Burslem Stoke-on-Trent geborene Musiker war, spätestens 1975 seit der Band-Gründung der britischen Metal-Vorreiter Motörhead, die vielleicht wichtigste Identifikationsfigur für Fans harter Musik. Er war fast immer erfolgreich, extrem geachtet (von Musikern und Fans gleichermassen) und dennoch hat er seine eigene Person niemals überbewertet. Lemmy war schon zu Lebzeiten eine Legende, mit seinem Tod wird der Status weiter wachsen. Nicht nur, dass ein Schwermetall nach ihm benannt werden soll (eine Petition möchte erreichen, dass eines der vier neuen superschweren Elemente auf den Namen «Lemmium» getauft wird), nach und nach wird auch der Allgemeinheit bekannt was für ein toller Musiker, genialer Texter, Historiker, Geschichten- und Witzeerzähler, Philosoph und Mensch dieser Lemmy war.

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© Picture Copyrights by Motörhead, all rights reserved Robert John

Ausgestattet mit einem Stimmorgan, welches seinesgleichen suchte, fiel Lemmy vor allem auch durch sein Äusseres auf. Ein Vermögen habe er in Cowboystiefel investiert; Stiefel, welche er später infolge des ruinierten Körpers und den Schmerzen nicht mehr tragen konnte. Unübersehbar waren auch die zwei markanten Warzen (gemäss Lemmy waren es Leberflecken), welche sein Gesicht zierten, speziell war auch seine Liebe für Hüte, sein Bart und sein Lifestyle; Lemmy war ein Rebell, ein Outlaw, der letzte seiner Gattung.

Bis vor einigen Jahren soll Lemmy täglich über eine Flasche Jack Daniel’s getrunken haben; dies mit Cola gemischt. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass der kleinere Anteil Coca Cola war. Er liebte Speed, nicht nur in der Musik, sondern auch in Pulverform. Dieses Speed hat ihm damals den Job bei Hawkwind, einer Band, welche den Drogen auch nicht abgeneigt war, gekostet. Diese nahmen aber lieber LSD, eine Droge, welche der Schweizer Forscher Albert Hofmann entdeckt hat. LSD soll Lemmy auch dem damaligen Superstar Jimmy Hendrix organisiert haben, in der Zeit als er sein «Roadi» war. Durch seinen exzessiven Lebensstil wurde Lemmy häufig die Unsterblichkeit angedichtet. Was physisch nicht möglich ist, wird aber psychisch so sein. Ace of Spades, Killed by Death, Orgasmatron, Overkill, Iron Fist, Bomber sind und werden unsterbliche Klassiker bleiben.

Trotz oder vielleicht wegen seines Äusseren, galt Lemmy als Frauenheld. Lemmy konnte nicht schwimmen, sondern nur Reiten. Dies war halt so im rauen Stoke, dem Ort, in welchem der junge Kilmister aufwuchs. Als Kind verbrachte er viel Zeit in Wales, wo er auch in einem Pferdestall arbeitete und Stunden mit den Pferden verbrachte. Das Reiten und der sensible Umgang mit den Pferden waren mögliche Gründe, dass er mehr als 1000 Frauen beglücken durfte. Frauen waren eine seiner grössten Leidenschaften. Lemmy lebte Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll wie kein Zweiter. In seiner Freizeit kam noch das Spielen dazu, dabei rauchte er  Unmengen an Zigaretten. Es ist nicht bekannt, wie viel Geld er an den einarmigen Banditen eingesetzt hat; es dürfte einiges gewesen sein.

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© Picture Copyrights by Motörhead, all rights reserved

Viel Geld gab er auch für seine Sammlung an Kriegssymbolen, bevorzugt aus dem Dritten Reich, aus. Selber hat er nie im Militär gedient. Er sei nicht eingeladen worden, meinte er in einem Interview lakonisch. Denjenigen, welche sich über sein Hobby störten, entgegnete er, dass seine Freundin schwarz sei und sie sich auch nicht darüber störe. Somit sollen die Nörgler die Klappe halten. Weil seine Wohnung tatsächlich wie ein Nazi-Schrein aussah, musste er sich immer wieder rechtfertigen. Dies vor allem auch in der deutschen Presse. «Das ist halt meine Sammlung. Das passt nicht einfach in ein Regal. Aber ich sammle nur den Kram, nicht die Überzeugungen dahinter.»

Lemmy hatte viele Facetten, so auch in seiner Musik. An alle jene, welche seine Lieder nicht kennen: Lemmy komponierte neben den schnellen Songs, die vermutlich schönsten Balladen. Dies für seine eigene Band aber auch für andere Künstler wie zum Beispiel Ozzy Osbourne. Unter anderem schrieb er am Welthit «Mama, I’m Coming Home» mit. Auch wenn Metal-Fans oder Musiker wie Lars Ulrich (Metallica Schlagzeuger) den Sänger als Urgestein des Metals beschrieben, Lemmy selber wurde vom Rock ’n’ Roll und Blues beeinflusst. Lemmy war kein Metal-Fan, seine grössten Inspirationen waren Chuck Berry und die Beatles, welche er für die grösste Band des Planeten hielt.

Lemmy hatte es vor allem in den Anfangsjahren von Motörhead extrem schwer. Zusätzliches Geld verdiente er sich mit dem Verkauf von «Dope». Auch wenn die Band ein paar Mal kurz vor dem Aus stand, war Lemmy ein Stehaufmännchen. Es ist nicht überraschend, dass Lemmy die meisten Fans in Deutschland hat. Die Deutschen hielten die Motörhead-Fahne auch in den Jahren hoch, wo Grunge, Hip Hop und Techno die Welt regierten. Das ö im Namen hat er damals gemacht, weil es gemeiner bzw. deutscher aussah! Lemmy bedankte sich bei den deutschen Fans, indem er fast jährlich während den letzten Monaten des Jahres das Land betourte. Dass die Hallen die letzten Jahre wieder grösser wurden, ist eine Art Happy End für den Musiker mit dem grossen Herzen.

Von Ärzten hielt Lemmy rein gar nichts. Man kann auch sagen, dass er beratungsresistent war. Ironie des Schicksals ist, dass genau ein Arzt ihm die Nachricht des Krebsgeschwürs und somit sein Todesurteil überbracht hat. Höchstens zwei Monate habe er noch zu leben, wurde ihm mitgeteilt. «Nur noch zwei Monate? Na ja….», soll er entgegnet haben. Dass daraus nur noch wenige Tage wurden, wer weiss, vielleicht war das sein letztes «F*ck you» an die Ärzte. Unter den Fans gab es den Running Gag: «Zwei Dinge überleben einen Atomschlag: Kakerlaken und Lemmy.»

Am Samstag, 9. Januar 2016 wurde Lemmy in Los Angeles beigesetzt. Die Zeremonie konnte man live auf dem Youtube-Kanal der Band mitverfolgen. Die Trauerfeier fand auf dem Forest Lawn Memorial-Friedhof in Los Angeles statt. Natürlich kamen sie alle: Mikkey Dee, Rob Halford, Slash, Lars Ulrich, Scott Ian, Doro Pesh, Ozzy, Dave Grohl, und viele mehr. Nur Phil Campbell der langjährige (1984 – 2015) Gitarrist der Band war der grosse Abwesende. Angeführt wurde die Zeremonie von Tony Brown, Lemmys Manager und die schönste Rede hielt sein Sohn Paul, dies mit viel britischem Humor. Er wirkte wie der junge Lemmy; dieser wäre stolz auf seinen Sohn Paul gewesen. Paul wurde von seinem Vater als seinen wertvollsten «Besitz» bezeichnet. Paul sagte in seiner Rede: «Als Kind kannst du dir deine Eltern nicht aussuchen. Mein Vater war ein Sechser im Lotto. Lemmy, jetzt bis du auf Reisen, mein geliebter Vater. Ich werde dich vermissen.» Es wurde geweint aber es wurde noch mehr gelacht. Die Zeremonie war wunderschön, ganz im Sinne des verstorbenen Künstlers.

Natürlich fanden die «Festlichkeiten» unter anderem im Rainbow (legendäre Bar in Los Angeles) statt, welches Lemmys zweite Wohnung war. Wenn er in L.A. war, dann war er im Rainbow. Hatte er kein Vodka-Orange-Glas in der Hand (auf dieses Gemisch stieg Lemmy um, nachdem bei ihm Diabetes diagnostiziert wurde und er kein Cola mehr trinken durfte), so war er vor seinem geliebten Spielautomaten. Im Rainbow war er Stammgast und die Routen der Reisecars führten zur Bar und die Touristen hofften darauf, die damals noch lebende Legende anzutreffen. Gleich um die Ecke war Lemmys Zwei-Zimmer-Wohnung, welche er nie gegen eine Villa tauschen wollte, da er nirgends günstiger leben könne. Trotz aller Erfolge: Lemmy blieb bis zum Schluss bescheiden.

Motörhead "European Tour"
© Picture Copyrights by Motörhead, all rights reserved

Lemmy und Marketing
Als die Albumverkäufe in der Musikbranche anfingen zu stagnieren, wurden für die Bands Konzerte als Geldquelle immer wichtiger. Zwar waren Motörhead mit Bad Magic (das letzte Studioalbum der Band) zum ersten Mal auf Platz 1 der deutschen Charts, von der Musik leben, alleine von den Albumverkäufen, wurde aber immer schwieriger. Trotzdem muss es für die «echten» Fans der Graus gewesen sein, als es Motörhead-T-Shirts im H&M zu kaufen gab. Dass die T-Shirts ausgerechnet bei den Prêt-à-porter-Models so beliebt waren, begründete der Sänger damit, dass «die armen Dinger» kein aufregendes Leben führen. Da war man mit dem offiziellen Motörhead-Wein und -Whiskey schon näher bei der Zielgruppe. Noch näher bei den Fans waren Motörhead mit dem gecharterten Luxusdampfer «Motörboat», welcher die Band samt Fans von Miami zu den Bahamas (Grand Bahama Island, Nassau und Great Stirrup Cay) und zurück führte. Als verkaufsfördernde Massnahme lud man unter anderem Bands wie Slayer, Anthrax und Exodus mit ein. Slayer selber waren sogar Headliner, da diese in den Staaten grösser als Motörhead sind. Auch hier: Lemmy war kein Egomane und wusste die Lage immer richtig einzuschätzen.

Motorhead_Wine

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Eine der besten Marketingideen rund um die Band hatte Joe Petagno, der Erfinder von Snaggletooth. Für manche mag diese Illustration wie Lemmy selber ausgesehen haben. Snaggletooth war nebst dem singenden Bassisten das Gesicht von Motörhead, zwar nur fiktiv, aber einmalig und vielfach kopiert. So haben Metallica den «Scary Guy», Iron Maiden den «Eddie», Anthrax den «Not Man», Megadeth den «Vic Rattlehead». Das beste aller Bandmaskottchen, zusammen mit Eddie von Iron Maiden, wird aber immer Motörheads Snaggletooth sein. All das zeigt: Musik und «Marketing» liegen sehr nahe beieinander, beide Zweige könnten ohne den anderen nicht funktionieren.

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© Picture Copyrights by Motörhead, all rights reserved

Was nun aber der finnische Milchproduzent Valio machte, sorgt für Gesprächsstoff. Noch vor Lemmys Beisetzung veröffentlichten diese einen Werbe-Spot, in dem Lemmy sagt: «Ich habe noch nie Milch getrunken. Und ich werde es nie. Assholes.» Der Spot wäre toll, typisch Lemmy, aber zu diesem Zeitpunkt? Noch vor der Beerdigung? Wie weit darf Werbung gehen? Der Milchproduzent verkauft den Spot als Tribut. Im Übrigen wurde dieser kurz vor Lemmys Tod produziert.

Lieber wäre mir sowieso gewesen, wenn Lemmy der EDEKA-Opa wäre und am Freitag dem 13. eine neue Welt-Tournee ankündigen würde. Dies mit den Worten: «We are Motörhead. And we play Rock N’ Roll.» Nun ist es wie es ist, Lemmy ist «Killed by Death» und vermutlich wird es nie mehr eine vergleichbare Persönlichkeit geben. Die grossen Musikfestivals beklagen, dass es fast keine grossen Headliner mehr gibt. Mit der Auflösung von Motörhead wird diese Tatsache noch dramatischer.

Wer mehr über diese einzigartige Person erfahren möchte, dem kann ich sein Buch «White Line Fever», den Film «Lemmy» aber auch seine Alben empfehlen. Mit Ausdruck: auch denjenigen, welche nichts mit hart rockender Musik am Hut haben. Lemmy war ein Phänomen, ein Kunstwerk, ein Individuum, intellektuell und eine ehrliche Haut. Viele seiner Eigenschaften sollte man auf das eigene Leben adaptieren.

Born to lose, lived to win. Rest in Peace Lemmy! Yves Seiler

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1 Comment

  • Hans Falke
    Hans Falke

    Ihr tut dem finnischen Michproduzenten „Valio“ Unrecht. Wenn Ihr Euch den Abspann des Spots anseht, werdet Ihr am Ende lesen, dass es sich hier um eine großartige Improvisation Lemmys gehandelt hat.

    Lemmys eigentlicher Text wäre gewesen: „Ich trinke keine Milch. Werde ich auch nie. Sieht man das?“ Das weiß ich daher, weil in eben diesem Abspann auch erwähnt wird, dass dieser Spot ein Remake des Valio-Werbeklassikers werden sollte. Auch das Original ist auf Youtube zu bewundern.

    Aber: Nicht mit Lemmy, der lässt sowas nicht mit mit sich machen. Also was sagt er: „Ich trinke keine Milch. Werde ich auch nie. IHR ARSCHLÖCHER!“

    Valio hat diese nicht verwendete Version nach Lemmys Tod ins Netz gestellt, um dem, wie die Firma sagt, „großartigen Mann“ Tribut und Respekt zu zollen.

    Und das finde ich höchst anständig von den Jungs.

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