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Mercedes «Die Expertenrunde»

Eine Expertenrunde aus hochkarätigen Werbern beurteilt den ersten Mercedes Spot, welcher von Antoni entwickelt wurde.
Da ist sie nun, die erste Expertenrunde auf Seiler’s Werbeblog und zugleich der erste Mercedes-Spot der eigens für Mercedes gegründeten Werbeagentur Antoni. Dies ist auch der Grund, warum ich den Spot von ausgewiesenen Werber-Persönlichkeiten beurteilen liess. Der Aufschrei war gross, als man den Mercedes-Etat und wohl einer der prestigeträchtigsten Kunden im deutschen Raum der langjährigen Agentur Jung von Matt entzog, der Agentur, welche viele tolle Arbeiten für ihren Kunden konzipiert und realisiert hat. Gemäss dem Hamburger Abendblatt hat sich der Stuttgarter Autobauer gegen Jung von Matt entschieden, weil ihnen viel an einer exklusiv arbeitenden Agentur wichtig war. Und wenn es soweit ist und es zu einer Trennung kommt, wird in unserer Branche gepitcht.

Mercedes hat sich bei der neuen Agentur nicht für einen der «Hotspots» wie Heimat, thjnk oder Kolle Rebbe, um nur drei zu nennen, entschieden. Nein, Mercedes hat sich für eine Agentur entschieden, welche es zum damaligen Zeitpunkt gar noch nicht gab. So wurde eine Agentur gegründet, welche innerhalb von kurzer Zeit einige der besten Kreativen verpflichten konnte. Inhaber der Agentur, welche den Namen Antoni trägt, sind Tonio Kröger und André Kemper. Gegründet wurde diese eigens für Mercedes. Allerdings sollen zu einem späteren Zeitpunkt auch weitere Kunden akquiriert werden. Gemäss dem Branchenportal Horizont.net sollen perspektivisch bis zu 100 Mitarbeiter beschäftigt werden.

Bei Antoni führt André Kemper das kreative Zepter. Dieser Herr Kemper ist nicht irgendwer. So gründete er mit Michael Trautmann die Agentur kempertrautmann, aus welcher später thjnk wurde. thjnk gehört heute zu den kreativsten Agenturen im deutschen Raum. Herr Kemper ist ein ausgewiesener Experte wenn es um Auto-Werbung geht. So hat er zum Beispiel ein richtiges Feuerwerk gezündet, als er für Opel (bei Commarco betreute Kemper hauptsächlich Opel als Kunden) seinen letzten Spot, auf die Öffentlichkeit losgelassen hat (hier nachzulesen). Hierbei muss man Herrn Kemper ein starkes Rückgrat attestieren, denn er hat die nötige Courage bewiesen und für Opel einen Klasse-Spot gemacht, einen Spot, indem er seine neue Zielgruppe, den Mercedes-Käufer, als arroganten Snob darstellte.

Für die erste Expertenrunde habe ich diesen Spot ausgesucht, da die Vorgeschichte einmalig und hochinteressant ist. Zudem bin ich selber Mercedes-Fahrer und gehöre somit zur Zielgruppe. Auch die Formel 1 habe ich einmal geliebt und meine Vorfreude auf ein tolles Ergebnis war sehr hoch. Die Voraussetzungen für eine schöne Story waren gegeben, schliesslich hat Mercedes im Jahr 2015 ein sportliches Feuerwerk gezündet und deren Fahrer besiegten ihre Konkurrenz in diversen Kategorien und Strecken dieser Welt.

Ich freue mich sehr, dass eine grosse Anzahl an bekannten Werbern an der Umfrage teilgenommen hat. Spannend waren auch die Diskussionen abseits des Berichtes. Mir ist klar, dass dieser Spot nicht stellvertretend für die neue Markenkommunikation von Mercedes steht. Im Übrigen feierte dieser auf RTL während des Formel 1 Rennens in Abu Dhabi seine Premiere. Während es für Rosberg und Hamilton das letzte Rennen der Saison war, läutete es für Antoni die «Saison» erst ein. Mit dem Spot setzte man sich vermutlich das Ziel, die erfolgreichste Motorsport-Saison in der Geschichte des Stuttgarter Autobauers gebührend zu feiern. In meinen Augen könnte es sich beim Spot sogar um einen Schnellschuss handeln, eine Vermutung, welche ich mit einigen Experten teile. Um die bisherige Stammagentur Jung von Matt zu topen, muss in Zukunft noch viel besseres aus dem Hause Antoni kommen. Wenn der Kunde nicht zu arg reinredet, müsste dies auch gelingen. Dass eine Steigerung stattfinden wird, ist für mich klar, denn die Antoni-Werber sind schlicht zu gut. Ob es gut ist, so eng mit dem Kunden verwurzelt zu sein, wird die Zukunft zeigen. Selbstverständlich wollte ich mehr zu den Hintergründen dieser ersten Antoni-Arbeit erfahren und schickte der Agentur eine Anfrage. Leider blieb diese unbeantwortet. Für alle deutschen Leser, in der Schweiz ist die 1 die schlechteste und die 6 die beste Note.

Lange Rede kurzer Sinn, hier ist er nun: Vorhang auf für die erste «echte» Arbeit für Mercedes von Antoni:

Eigentlich müsste auch ich den Spot bewerten. Leider empfinde ich Lewis Hamilton als einen eher unsympathischen Sportler (da waren mir die leicht unterkühlten Finnen Häkkinen und Räikkönen viel lieber) und nur schon infolge dieses Aspektes kann ich keine unvoreingenommene Beurteilung abgeben. Wenn ich diese Tatsache ausblende, dann bekommt der Spot eine aufgerundete 3. Für ein erstes Werk hätte ich einen echten Knaller erwartet, so wie es Mercedes sportlich vorgemacht hat. Nachfolgend finden Sie eine Auswahl an Experten-Aussagen zur Kampagne. Die Auflistung habe ich in alphabetischer Reihenfolge des Vornamens gemacht.

Axel Eckstein, ECD bei Leo Burnett Schweiz AG

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Wer diesen Film fühlen will, muss ihn lediglich sehen und hören. Mein erster Eindruck: Stilistisch unerwarteter Approach, der etwas Partystimmung verbreitet.

Wer diesen Film jedoch verstehen will – vielleicht aus beruflichen Gründen – muss ein bisschen nachdenken.

Der Rennstall von Mercedes AMG Petronas sicherte sich ein weiteres Mal den Weltmeistertitel in der Konstrukteurswertung und nahm diese Fachmeldung zum Anlass, sich selbst mit einem Werbespot in einem Massenmedium zu feiern. Nicht unbedingt sinnvoll, aber halbwegs nachvollziehbar. Wirklich amüsant wirds bei der Umsetzungsidee selbst, welche sich, wenn überhaupt, nur mit einer abenteuerlichen Assoziationskette rekonstruieren lässt.

«Ein weiteres Mal» heisst auf Englisch «one more time». Das war mal ein Hit von Daft Punk. Also soll der Film die visuellen Codes der French-House-Szene aufgreifen. Die wiederum die Elektronik-Ästhetik der 80er mag. Zum Beispiel Computerspiele. Zum Beispiel Wettrennen von Fahrzeugen. All das wurde kombiniert im Film «Tron». Zweimal bereits. «Tron» muss also erst recht rein. Das ist cool und Hamilton ist cool und DJs sind cool. Also kann Hamilton ja auch ein DJ sein. Und Schallplatten haben eine Aussparung in der Mitte, da passt ein Mercedes-Stern rein. Und damit Google bei «one more time» nicht nur Daft Punk zeigt, machen wir «won more time» draus. Und weil «won» auch noch «gewonnen» heisst, erscheint es plötzlich fast zwangsläufig, dass der Film genau so ist, wie er ist. Note 2.

Daniel Serrano, Creative Director bei Karling

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Von mir bekommt der Film eine 3. Eine ziemlich teure 3, denn billig war der sicher nicht. Ob das Geld gut investiert ist, bezweifle ich. Als interner Imagefilm nett anzusehen. Der heizt die Mitarbeiter ein und stärkt die Marke nach innen. Solche Filme sind oft teuer, aber nicht sonderlich kreativ. Das muss dann die Execution retten. Aber ein Film für die breite Öffentlichkeit… hmmm… ich weiss nicht. Inhaltlich wenig relevant und mit viel zu vielen Zutaten.

Antoni hat sich verpflichtet 2 Jahre lang ausschliesslich für Mercedes zu «existieren». Da sitzt der Kunde an einem ganz anderen Hebel als in einer normalen Kunde-Agentur-Beziehung. Wenn der Kunde sagt: «Wir wollen Tron, wir wollen so was wie Daft Punk, wir wollen Hamilton, wir wollen Rosberg… » dann glaube ich, dass die Agentur wirklich versucht hat, aus diesen Zutaten das best-mögliche zu zaubern.

Dass mich dieser Film nicht berührt, liegt aber glaube ich, an der immer stärker werdenden Einflussnahme auf die Kreation seitens der Kunden. Zwar kann der Kopf eine Checkliste führen, ob auch bloss alles gesagt wurde, was gesagt werden muss – das ist aber noch kein Garant dafür, ob auch Bauch und Herz berührt werden. Bei mir zumindest nicht. Viel gesagt, wenig erreicht. Wenn man eine Klette um ihre Wiederhaken beraubt, bleibt sie auch nicht hängen.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass eine neu gegründete Top-Agentur gesagt hat: «Super, bedienen wir uns der Welt eines Filmes aus den 80ern, der vor über fünf Jahren neu aufgelegt wurde.» Aktualität = 0. Ebenso kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Texter mit stolzer Brust hinter dem Wortspiel: «Three, Two, Won» steht.

Es freut mich enorm, wenn Kunden den Agenturen weiterhin zutrauen, Menschen berühren zu können – das ist schließlich unsere Aufgabe: komplexe Inhalte so zu verpacken, dass sie direkt ins Herz zielen. Das muss und darf man Agenturen weiterhin zutrauen.

«In einer perfekten Welt» würde ein Kunde wie Mercedes sagen: Keiner nimmt uns das Wissen von Autos, und keiner nimmt euch das Wissen von Kommunikation. Dafür muss viel Vertrauen vorhanden sein, das man sich heute hart erarbeiten muss.

Ich erinnere mich noch an den gefühlt ersten Film von Nordpol für Eon «The Power of Wind». Viel Inhalt. Viel berührt.

Einen solchen Wurf hätte ich mir von Antoni auch erhofft. Aber wie man im grossen Kanton sagt: «Werbung ist nun mal kein Ponyhof».

Dennis Lück, Chief Creative Officer bei FCBZürich

FCBZürich

Mein Urteil für den neuen Spot lautet: Note 1. Schauen wir uns mal die Aufgabe an, die die Agentur hatte. Mercedes feiert die erfolgreichste Motorsport-Saison aller Zeiten. Das muss mit einer Idee gehuldigt werden.

Und dafür ist die Lösung: Lewis Hamilton wird DJ. Eine Schallplatte mit Mercedes-Logo. Der Look von Tron. Die Musik von Daft Punk. Die ganze Optik aus den 80ern. Die Texte aus der Kalauerkiste, was man nicht schlimm findet, weil es auf Englisch trotzdem noch ordentlich klingt.

Völlig sinnfreie Computer-Spiel-Optik. Ich verstehe da ehrlicherweise gar nichts. Sicher wäre aus dem Briefing mehr zu holen gewesen. Der Mercedes-Standard «Das Beste oder nichts» wurde hier nicht auf die Kreation angewandt. Dennoch glaube ich, dass dieser Spot nicht generell für den qualitativen Output von Antoni steht. Dieser Spot fällt wohl eher in die Kategorie «Komm, da müssen wir schnell was machen». Die Umstände haben wohl die Agentur dahin geleitet, vermute ich mal. Ich bin mir sicher, dass der erste grosse Aufschlag für Mercedes von Antoni noch kommt.

Dirk Henkelmann, Gründer und Geschäftsführer von dirk&philip kommunikation (ohne Bild)

Es war wohl ein Versuch. Der Versuch alles anders zu machen. Aber der ist gescheitert. Leider nicht mal grandios. Angefangen von der bemühten DJ-Inszenierung von Hamilton, über die Plastik-Musik bis hin zur visuellen Tron-Anleihe, die weit hinter dem Original zurückbleibt. Nichts passt und nichts wird klar. «Won year» ist ja generell die Aussage, die man inszenieren kann, aber so?

Mit zahllosen Zitaten (ich hoffe mal, es sollten Zitate sein), die nicht zusammenpassen wollen, schon gar nicht zur Aussage?! Das fühlt sich weder wie Formel 1 oder Rennsport an, noch wie Mercedes. Sondern wie ein Musikvideo von Dieter Bohlen in den 80ern. Es ehrt den Versuch, es anders zu machen. Und ich denke, es ist auch kein Vorgeschmack auf die künftige Mercedes-Kommunikation. Antoni wird genug Kreative haben, die es besser können. Die Hoffnung ist, man lässt sie auch. (2-3)

Frank Bodin, Chairman & CEO von Havas Worldwide Switzerland

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Die Formel 1 und die damit verbundenen Mercedes-Erfolge sind spannender als dieser Spot (dem gebe ich eine glatte 1). Aber so ein Eigenlob-Spot ist auch eine spezielle Aufgabenstellung und wird kaum etwas mit dem bevorstehenden neuen Mercedes-Auftritt zu tun haben.

John Leuppi, Texter/Konzepter bei ViznerBorel

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Der Spot weckt zu Anfang hohe Erwartungen: Partylöwe Lewis Hamilton legt in einer sci-fi Welt für Mercedes auf. Dann der Countdown. Jetzt muss was Geiles passieren, denke ich. Falsch gedacht. Rad an Rad mit Nico Rosberg jagt der Weltmeister durch einen virtuellen Tunnel. Überall nervöse Reflektionen. Das Ganze erinnert mich farblich an Tron. Schnitt an Schnitt geht es in eine Game-Welt mit Comodore 64 Charakter, wo die Mercedes Titel der anderen Rennklassen abgefeiert werden. Alles geht schnell. Zeit, um die Bilder zu verarbeiten und Einblender und Geschehen gleichzeitig zu erfassen, bleibt kaum. Da machen weder das Schluss-Feuerwerk im ausverkauften Stadion, noch das Wortspiel mit «One» und «Won» die 60 Sekunden besser. Schade. Technische Effekte machen noch keinen guten Spot. Es braucht halt wie immer am Anfang eine gute Idee. Note: 4 (genügend).

Matthias Freuler, Creative Director bei Spinas Civil Voices

Matthias_Freuler_ Spinas

Eigentlich ist dieser neue Mercedes-Spot nicht der Rede geschweige denn der Schreibe wert. Er ist einfach nur banal, anbiedernd und furchtbar langweilig. Aber wenigstens fährt die Marketing-Abteilung von Mercedes konsequent ihren Sparkurs. Mit der Inhouse-Werbung spart man nicht nur die Agentur, sondern auch gleich noch die Kreativität.

(Vielleicht müsste sich Mercedes die entlassenen Abgas-Schummler von VW holen. Die sind hoch kreativ und jetzt wohl auch günstig.) Note 2 für Mercedes

Michael Hinderling, Creative Director / Managing Partner bei Hinderling Volkart

Michael_Hinderling_Hinderling_Volkart

Mercedes steht für Premium und Exzellenz. Dieser Spot verkörpert dieses Image keineswegs. Eher im Gegenteil: Er wirkt kitschig in der Umsetzung und plump in der Aussage. Die Ausgangslage könnte ja nicht besser sein: Mercedes hat wohl eines der erfolgreichsten Motorsport-Jahre hinter sich. Damit würde sich eine schöne Geschichte erzählen lassen. Im Endeffekt bleibt beim Betrachter aber nur folgendes haften: «Wir haben gewonnen» und «wir sind die Geilsten». Das ist nicht nur schade für so eine wertvolle Marke, sondern auch eine verspielte Chance.

Pius Walker, Creative Director und Gründer von der Walker Werbeagentur

Pius_Walker

Auf der inhaltlichen Ebene erhält der Film eine saubere 1 (nach dem Schweizer Schulnotenprinzip). Von den Besten darf man dann doch etwas mehr erwarten als die Aussage: «Wir waren die Besten!» Unglücklich für eine Kundenagentur ist, dass sie dem Kunden dafür nicht die Schuld in die Schuhe schieben kann.

Vielen Dank an alle Experten
Ich bedanke mich bei allen Beteiligten für deren Einsatz. Ich freue mich schon, wenn es im neuen Jahr eine zweite Expertenrunde geben wird, Yves Seiler

Die zweite Arbeit ist seit heute 8. Dezember online
Kaum hat die Expertenrunde gesprochen, kommt schon das zweite Werk der Agentur. Am besten Sie sehen gleich selbst.


© Yves Seiler

Bild: *Bild im Header: Youtube-Screenshot aus dem Mercedes-Antoni-Spot.

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