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Narcotics_Anonymous

Narcotics Anonymous «Das anonyme Interview»

Wie vergangene Woche geschrieben (Bericht) geht Narcotics Anonymous neue Wege. Erstmals in der Schweiz wurde eine Kampagne realisiert, welche sich an genesende Süchtige richtet. Ich wollte mehr über die Organisation, die Kampagne und das Suchtverhalten der Schweizer/innen erfahren. Ganz im Sinne der Organisation rücken öffentlich keine Personen in den Vordergrund. Aus diesem Grund verzichte ich auf das publizieren von Namen. Das Interview wurde mit der Pressestelle von Narcotics Anonymous geführt.

1. Was ist und wem hilft Narcotics Anonymous?
Narcotics Anonymous ist eine Gemeinschaft von Menschen, für die Drogen zum Problem geworden sind. Unter Drogen verstehen wir alle bewusstseinsverändernde Substanzen wie Marihuana, Alkohol, Kokain, Heroin, Tabletten usw. NA hilft Süchtigen dabei ein cleanes Leben zu führen. An unseren Meetings nehmen viele Leute teil, die früher ein Drogenproblem hatten und nun schon seit Jahren keine Drogen mehr nehmen oder auch solche, die erst den Wunsch haben, aufzuhören Drogen zu konsumieren.

2. Sie richten sich hauptsächlich an «trockene» Süchtige? Warum ist dem so?
NA ist ein abstinenzorientiertes Programm. Für die Krankheit Sucht wurde bis heute noch keine Heilmethode gefunden. Die Sucht schreitet in der Regel immer weiter voran, trotz steigender negativer Folgen. Unsere Erfahrung zeigt, dass der Fortschritt der Sucht durch Abstinenz angehalten werden kann und dann Genesung möglich ist. NA richtet sich an alle, die den Wunsch haben mit Drogen aufzuhören. Auch Süchtige, die nicht clean sind, heissen wir an unseren Meetings herzlich willkommen. Abstinenz ist keine Voraussetzung.

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3. Wie kann man sich solch ein Meeting vorstellen? Wie viele Personen nehmen im Durchschnitt teil?
Meetings haben unterschiedliche Formate und die Meetings entscheiden selbst (Gruppengewissen) wie lange und welches Format sie wählen wollen. Meistens dauern Meetings 1 oder 1.5 Stunden.

Meetings sind unterschiedlich gross und nicht jedesmal gleich gut besucht. Es gibt Meetings, die regelmässig 20 oder mehr Teilnehmer haben, andere zwischen 4 bis 10. Es gibt Meetings, die wachsen über einen gewissen Zeitraum, um dann wieder kleiner zu werden. Gründe dafür sind vielfältig. Es gibt Mitglieder, die sich in einem kleinen Meeting wohler fühlen und deshalb an andere Meetings gehen, oder es geht ein neues Meeting auf, das für einige besser erreichbar ist oder zu einer passenderen Zeit stattfindet.

Im Ausland wo NA schon länger etabliert oder besser in die Suchthilfe integriert ist, gibt es z.T. Meetings an denen 200 bis 300 Leute teilnehmen.

4. Es gibt keine offene Drogenszene mehr. Ist es schwieriger an die Menschen mit einem Suchtproblem zu gelangen?
NA missioniert nicht. Wir gehen nicht auf die Strasse um Süchtige anzusprechen. Unsere Öffentlichkeitsarbeit (dazu gehört auch die aktuelle Plakataktion) zielt darauf ab zu informieren, dass es uns gibt. Zu weiteren Aktivitäten zählen unter anderem Informationsveranstaltungen für Professionelle oder Klienten in Suchttherapien, Infostände an Fachtagungen, unsere Webseite und die Helpline. Alle Aktivitäten bei NA werden von Freiwilligen durchgeführt, wir haben kein professionelles Angebot (Suchthelfer) und wir sind keine Drogenberatungsstelle. Bei NA sind alle willkommen, die denken sie hätten ein Suchtproblem.

5. Mit wem haben Sie die Kampagne umgesetzt? Was ist die Hauptbotschaft?
Mit der Zürcher Agentur Streuplan. In der Schweiz ist NA noch nicht so bekannt. Unser Anliegen ist, dass jeder Süchtige weiss, dass es uns gibt und wie er uns finden kann. In anderen Ländern ist NA viel bekannter  z.B in den USA mit über 27’000 wöchentlichen Meetings oder im Iran mit über 20’000 wöchentlichen Meetings.

6. Wir diskutieren auf einer Plattform für die Kommunikationsbranche. Ist es richtig, dass Kommunikation eine der wichtigsten Faktoren ist um Süchtige auf Ihrem Weg zur Abstinenz zu unterstützen?
Unsere Plakatkampagne zielt darauf ab, dass Süchtige, die eine Lösung für ihr Problem suchen, von uns erfahren. Mit unserer Aktion gehen wir neue Wege. In der Öffentlichkeit sind wir heute noch relativ unbekannt. Dies wollen wir ändern. Wir glauben, dass jeder Süchtige, der den Wunsch hat mit Drogen aufzuhören, die Möglichkeit haben sollte uns zu finden um herauszufinden ob er/sie sich bei uns wohl fühlt und ob ihm/ihr die Teilnahme an Meetings hilft Genesung zu finden. Dazu müssen wir aber bekannter werden. Noch immer wissen die meisten Süchtigen und leider immer noch viele Fachleute in der Suchthilfe nicht, dass es NA gibt, was und für wen NA ist und wie es funktioniert.

Einer Organisation für welche die Anonymität ihrer Mitglieder ein zentrales Element ist ein «Gesicht» zu geben, ist relativ schwierig. Wir wollten uns mit unserer Sujetwahl von den stigmatisierenden Bildern von Silhouetten, verpixelten oder verdeckten Gesichtern distanzieren wie sie so oft im Zusammenhang mit Süchtigen verwendet werden. Anonymität hat für uns verschiedene Aspekte. Für einige unserer Mitglieder gewährt sie den Schutz ihrer Identität, so zum Beispiel für Personen, die im öffentlichen Leben stehen oder deren Arbeitsstelle durch eine Suchtvergangenheit gefährdet wäre. Anonymität egalisiert soziale Unterschiede und ermöglicht es den Teilnehmern über ihre Genesung zu sprechen und ihre Erfahrung, Kraft und Hoffnung zu teilen. Anonymität heisst jedoch nicht geheim und so hoffen wir, dass wir mit unserer Plakataktion einen Schritt zu grösserer Bekanntheit machen können.

Kommunikation spielt auch während unseren Meetings eine tragende Rolle. Die Botschaft von NA ist, dass ein Süchtiger aufhören kann Drogen zu konsumieren, den Wunsch zu konsumieren verlieren und einen neuen Lebensweg finden kann. Diese Botschaft der Hoffnung mit noch leidenden Süchtigen zu teilen ist unsere Hauptaufgabe an einem Meeting.

7. Haben infolge Leistungsdruck Drogen während der Arbeit zugenommen?
Diese Frage können wir leider nicht beantworten. NA hat keine Meinung zu Fragen ausserhalb unserer Gemeinschaft, daher führen wir auch keine epidemiologischen Untersuchungen durch.

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8. Welche Drogen machen Ihnen in der heutigen Zeit am meisten Sorgen?
Unser Interesse liegt darin, Genesung von Sucht und ihren Folgen zu finden. Drogen, Prävalenz und Folgen für die Gesellschaft gehören nicht zu den Themen, die uns beschäftigen. Einfach ausgedrückt: bei NA interessieren uns Erfahrungen, die wir mit Lösungen (Genesung) machen und nicht Probleme, die die Gesellschaft betreffen. Ebenso haben wir an den Meetings kein Interesse an «Kriegsgeschichten». Alle unsere «Sucht- und Drogenkarrieren» haben unterschiedliche Verläufe, aber schlussendlich zeigen alle diese Geschichten ähnliche Eigenschaften und Resultate: Isolation, Hoffnungslosigkeit und meist auch körperliche, finanzielle und soziale Schäden. Mit den Problemen, die durch die Sucht verursacht werden, sind wir bestens vertraut. Wo wir uns jedoch gegenseitig unterstützen können, ist bei den Erfahrungen, die wir mit Genesung machen.

9. Wie finanziert sich Narcotics Anonymous?
NA lehnt jede finanzielle Unterstützung von aussen ab. Wir finanzieren uns selbst durch freiwillige Spenden unserer Mitglieder. Wir haben keine Aufnahmegebühren oder Mitgliederbeiträge. Während den Meetings geht eine Kasse herum, wo die Teilnehmer soviel geben können wie sie wollen. Aus den Einnahmen werden die Miete für den Raum, Kaffee und Literatur des Meetings bezahlt. Wenn mehr eingenommen wird als für den finanziellen Bedarf des Meetings benötigt wird, wird dieses Geld an unsere Dienststruktur weitergegeben. Dort treffen sich Vertreter der Meetings und beschäftigen sich mit Themen, die NA als Organisation betreffen, wie zum Beispiel unsere Plakatkampagne, die vom PR Komitee für NA Schweiz durchgeführt wird. NA als Organisation wird im angelsächsischen als «grass-roots movement» bezeichnet. Unsere «Hierarchie» kann man sich als umgekehrte Pyramide vorstellen, mit den Gruppen zuoberst, die jeweils nach unten delegieren. Von der Gruppe zum Gebiet (deutschsprachige Schweiz) zur Region Schweiz, zur Europakonferenz, zur Weltkonferenz. Alle unsere Dienststellen, Komitees werden ausschliesslich mit NA Mitgliedern besetzt, unsere Literatur von Süchtigen geschrieben. Anders gesagt: NA ist von Süchtigen, für Süchtige.

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Narcotics Anonymous.ch

© Yves Seiler

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