Seiler's Werbeblog

Wir schreiben über Werbung

Andy Hostettler mit Familie

Andy Hostettler

Werber, Hotelier, Messerdesigner, Röhrenverstärkerhersteller, Holzmanufaktur – mit Andy Hostettler präsentiert Seiler’s Werbeblog gleich eine Persönlichkeit, welche in den letzten Jahren so viel erlebt und erreicht hat, wie andere in einem ganzen Leben.

1. Andy wer bist du?
Gute Frage. Da muss ich doch glatt ein paar Minütchen überlegen. Äh … Ich bin der mittelgrosse, übergewichtige Mann von nebenan, über den die Nachbarn sagen würden: „Er ist uns nie besonders aufgefallen. Jeah, dass der so ein Zeug gemacht hat, das hätten wir nie gedacht.“ Verblüffen, überraschen, zum Lachen bringen und dabei anderen Menschen helfen, erfolgreich zu sein. Das gelingt mir gut, da mich die meisten Leute unterschätzen, weil ich eben nicht wie ein klassischer Unternehmer daherkomme.

2. Franz Carl Weber, Coca Cola, GGKB Basel, Weber Hodel Schmid, Schmid&Hostettler&Fabrikant, JWT+Hostettler+Fabrikant und zuletzt für 5 Jahre CEO von TBWA. Eine unglaubliche Werbekarriere mit vielen interessanten Persönlichkeiten, Geschichten und Epochen. Was war für dich die spannendste Zeit?
Es ist immer gerade jetzt die spannendste Zeit. Und immer genau bis es einem langweilig wird, wenn die Routine einfährt. Oder wenn man denkt, dass man nicht mehr weiterkommt, weil Du jemanden vor der Nase hast, der an seinem Sessel klebt, oder zu wenig Mumm in den Knochen hat. Zurzeit durchlebe ich mit meiner Frau Marie-Anne und meiner Tochter Reana (Designerin und Gestalterin) eine ganz verrückte Phase. Mit 5 Startups (Hotel im 4. Jahr, PanoramaKnife im 2. Jahr, HOST au Lac im 2. Jahr, SCHWARZ Röhrenverstärker im 1. Jahr und Urwyler&Hostettler Holzmanufaktur im 1. Jahr). Zugegeben, es ist ein bisschen viel Spannung. Aber es ist zu bewältigen, weil mich etwas ganz Wichtiges antreibt: die Unabhängigkeit. Es gibt für mich nichts Relevanteres im Leben als Selbstbestimmung.

3. Gibt es einen alten Weggefährten, von dem du am meisten profitieren konntest?
Da gibt es 5. Der Werner Hirschi von der ASSA Aarau hat mich gelernt, dass man im Verkauf nie aufgeben darf. Der Berater Bruno Zanola hat mir damals bei DDB&WDW beigebracht, wie man Kunden ein gutes Gefühl geben kann, selbst wenn man nichts im Griff hat. Fritz Bärlocher von Coca-Cola hat mich an einer langen Leine geführt, so dass ich in 4 Jahren wohl mehr lernen und ausprobieren durfte als manch ein anderer junger Mann. Der Reini Weber hat mir einen hohen Anspruch an gute Kreation reingeschliffen und mein langjähriger Geschäftspartner und Freund Remy Fabrikant hat mich immer wieder herausgefordert, das scheinbar Unmögliche wahr zu machen.

4. Ich schätze dich als extrem kreativen Menschen. Du warst lange CEO in einer grossen
Netzwerkagentur. Als was würdest du deine damalige Tätigkeit beschreiben? Unternehmer? Werber? Mädchen für alles? Organisator oder einfach als Chef vom Ganzen?
Die Antwort liegt quasi auf der Hand. Als guter Unternehmer bist Du ein wenig alles von dem. Und selbst wenn mir die TBWA nicht gehörte, hatte ich sie so geführt. Bis zu dem Moment, wo die Erbsenzähler sich durchgesetzt haben. Weltweit wird diese Firma von Finanzern und Buchhaltern beherrscht. Die haben nur den Profit in Prozenten im Auge. Das geht zu Lasten des Produktes, der Mitarbeitenden und letztlich auch der Kunden.

5. Vermisst du Zürich und deine alten Freunde? Oder bist du inzwischen waschechter Thurgauer?
Ich freue mich jedes Mal, wenn sich ein Freund oder eine Freundin nach Ermatingen verirrt. Und ich versuche Meetings in Zürich zu vermeiden. Nicht wegen Zürich, sondern wegen der Verkehrssituation, die tatsächlich immer schlechter wird. Gleichzeitig ist die Lebensqualität am Bodensee derart hoch, dass wir sicher nie mehr in die grosse Stadt ziehen werden. Unser kleines Hotel wird mehr und mehr zu einem Place to Be. Auch für meine alte Szene oder für neue Kunden. Die Räume, der See, die Freiheit, die Musik aus der SCHWARZ …. das alles inspiriert zu wirklich guten Ideen.

6. Du engagierst dich stark für Ermatingen, zum Beispiel mit einer Plakatkampagne, welche sehr gelungen ist oder mit einem Steinschieferwettbewerb. Man hat das Gefühl du möchtest dem Dorf etwas zurückgeben?
Das Dorf hat uns noch nichts gegeben, was wir zurückgeben könnten*smile. Ausser, dass wir wirklich sehr nett aufgenommen wurden. Die Kampagne und die damit verbundenen Anstrengungen sind nicht ganz uneigennützig, wenn sie funktioniert (und so sieht es aus), profitieren wir als grösstes Hotel in Ermatingen und Umgebung natürlich am meisten. Gleichzeitig macht es enorm Spass, eine derart provokante Strategie täglich aufs Neue umzusetzen. Selbst wenn ich mir mit „Der langweiligste Ferienort der Schweiz.“ nicht nur Freunde geschaffen habe.

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7. Deine Kampagne für Ermatingen war zweideutig eindeutig. Wie war das Feedback?
Ich hatte schon viele, sehr wirkungsvolle Kampagnen machen dürfen. Doch mit so wenig Geld hatte ich noch nie ein derart riesiges Medienecho. National und international. Die Leute, die es betrifft, haben sie verstanden und die Kommentare in den Onlinemedien waren zu 95% positiv. Unter den Leuten, die es nicht betrifft, gibt es nach wie vor jene, die finden, die Kampagne sei schädlich für Ermatingen. Man sei ja gar nicht so langweilig. Über den Erfolg in Zahlen können wir erst im Januar 2015 berichten, wenn wir die Übernachtungsstatistiken aller haben. Mit unserem Hotel sind wir auf alle Fälle auf Kurs.

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8. Du hast auf deinem Blog damals die Branche und gewisse Persönlichkeiten auf den Arm genommen. Hast du dich in der Zwischenzeit mit der Werbeszene versöhnt? Bist du deshalb in den beschaulichen Thurgau geflohen?
Ich kann nach wie vor jedem in die Augen schauen. Selbst Frank Bodin, der lange Zeit einer meiner Protagonisten in den „Worten zum Montag“ war. Wir haben das mal auf dem Golfplatz geklärt. Er meinte damals – sinngemäss: „Indem ich meine Nase in jede Kamera halte, mache ich bloss meinen Job“. Er hat sich selber zum Star-Werber aufgebaut und hat dadurch auch ein gewisses persönliches Newbizz-Potenzial. Ist doch clever – oder etwa nicht?

Wir sind 2010 nicht vor der Szene geflüchtet, sondern vor unserem damaligen Familienleben. Wir hatten keine Zeit für unsere Kids und uns selbst. Letzteres haben wir zwar immer noch nicht, aber wir sehen nun die Kinder auch über Mittag. Oder können, weil wir eben unabhängig sind, auch einfach mal an einem Dienstagnachmittag mit ihnen ins Kino oder auf den See gehen.

9. Neu bist du auch noch Messerdesigner, Hotelier, Röhrenverstärkerverkäufer und hast eine Holzmanufaktur. Wie kam es dazu?
Das sind 4 separate Geschichten. Alle auf einen Nenner gebracht: Wir tun einfach, was uns gefällt. Und was auch ein gewisses Einkommen ermöglicht. Das Hotel hat meine Frau Marie-Anne Unabhängigkeit gebracht und das Messer hat mir den Einstieg in die Selbständigkeit wesentlich erleichtert. Mit SCHWARZ, dem einzigen digitalen Röhrenverstärker will ich beweisen, dass ich nicht nur Messer für CHF 79.- verkaufen kann, oder Hotelnächte für CHF 150.- unter die Leute bringe, sondern auch einen Premium-Hörgenuss ab CHF 25’000.-.
Es ist ein unglaubliches Erlebnis und passt ausgezeichnet zu audiophilen Menschen und eben auch in Hotels, die was auf sich geben. Die Holzmanufaktur mache ich mit Michael Urwyler zusammen. Dies deshalb, weil der frühere Lieferant unserer PanoramaKnife Holzbretter angefangen hat uns zu kopieren. Nun machen wir sie eben selbst und noch viel mehr.

10. Die Idee mit dem Panoramaknife sollte in meinen Augen in naher Zukunft ausgezeichnet werden.
Wir haben damit schon 2 Preise gewonnen: den Idee-Suisse Award (hat nichts mit SRF zu tun) und einen Award vom Startfeld Diamant. Wir machen bei solchen Events allerdings nur mit, damit es noch mehr PR und letztlich Verkäufe gibt. Frei nach dem Moto von Frank: „Indem ich mein Messer in jede Kamera halte, mache ich bloss meinen Job.“

11. Wie kamst du auf die glorreiche Idee aus Alpen Panoramen Messerklingen zu entwickeln? Sind die Messer zum Ausstellen oder halten diese, was sie versprechen?
Ich hab’s einfach gesehen. Auf einer Autofahrt nach Zürich im September 2011. Die Churfirsten haben so was ähnliches wie ein Wellenschliff. Zuerst wollte ich die Idee verkaufen, wie 1000 andere Ideen zuvor auch, aber nachdem Victorinox und Kuhn Rikon nicht zuschlugen, wollte ich nicht aufgeben und habe mir einen Produzenten gesucht. Den besten. HP Klötzli, Präsident der schweizerischen Messerschmiedevereinigung. Heute: 40’000 Messer und 3000 Bretter später würde ich die Marke nur noch für wahnsinnig viel Geld hergeben.

12. Plakatkampagne für Ermatingen, Onlinebanner und PR für das Panoramaknife…. Es ist schön zu sehen, dass ein ehemaliger Werber das umsetzt, was er früher den Kunden propagiert hat. Ohne Werbung geht’s einfach nicht?
Doch, es geht. Aber es geht nicht ohne Ideen, Engagement und ein gutes Netzwerk. Fürs PanoramaKnife hatten wir bis vor kurzem keinen Stutz ausgegeben, weil wir schlicht keinen hatten. Es geht nicht ohne Aufmerksamkeit, ohne Präsenz, aber es muss nicht Werbung im klassischen Sinne sein. Es gibt gerade heute viele andere Möglichkeiten bekannt zu werden und zu verkaufen (Performance-Marketing, affiliates etc.). Wir lernen mit dem Messer, dem Hotel und dem Verstärker enorm viel darüber, was funktioniert und was nicht.

13. Was wolltest du schon immer loswerden?
Ich hatte ja noch nie wirklich den Mund gehalten, und deshalb gibt’s auch nichts, was ich nicht schon losgeworden wäre. Das heisst, vielleicht nur dies: „Hei Leute! Freiheit ist mehr Wert als ein geregeltes Salär. Wenn es Euch also ankotzt, wenn Euch jemand im Weg steht, wenn jemand bei einer Strategiesitzung den Rechner zückt, dann traut Euch. Begehrt auf, sagt den Doofen, dass sie es sind – und löst Euch von der Kacke, solange Ihr noch könnt.“

 

© Yves Seiler

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