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Stefan Bircher «Wir haben dreimal geskyped»

Andreas Panzeri im Interview mit Stefan Bircher
Er war ein bisschen länger als „nur mal kurz weg”. Während Stefan Birchers Weltreise von einem ganzen Jahr hat Shining aber trotz Abwesenheit des Chefs weiterhin preisgekrönte Filme produziert. Ein Sabbatical mit Folgen: Jetzt gibt es vier Chefs auf Augenhöhe.

Andreas Panzeri: Von März 2017 bis Februar 2018 bist du mit deiner Familie auf Weltreise gewesen. Während diesem Sabbatical hat dein „führungsloses“ Team bei Shining weiterhin Filme produziert, die mit 2 Gold-Edi, 2 Spezial-Edi, 2 ADC Gold sowie dem Goldbach Crossmedia Award ausgezeichnet worden sind. Wie stark hast du bei deiner Rückkehr die Ungeduld deiner Crew erlebt, dass ihr Chef jetzt endlich wieder mithilft?
Stefan Bircher: Ich wurde mit grosser Freude, sich als Privatpersonen wieder zu sehen, empfangen. Die Vorfreude auf laufende Produktionen war vorsichtiger. Als ich mit meiner Familie abreiste, waren drei Mitarbeiter noch gar nicht und Leo Sanfilippo erst gut zwei Monate bei Shining. Wir wussten alle, dass die alte Firma vom März 17 nicht mehr dieselbe war, wie die im März 18.


Was muss man als Chef tun, wenn man feststellen darf, dass der Laden auch ohne seine tägliche Präsenz Erfolg hat?
Ich kann nur für mich sprechen. Ich glaube es braucht eine gewisse Distanz, um sich selber eingestehen zu können, dass das Unternehmen jetzt auf eigenen Füssen steht und autark funktioniert. Als ich mich damit abgefunden hatte, stand ich wieder am Anfang, allerdings mit neuen Möglichkeiten. Diese standen mir 2007, als wir Shining gründeten, noch nicht offen. Heute gibt es drei Projekte die ich mit der Unterstützung von Shining mache und die nicht direkt mit exekutiver Bewegtbild-Produktion zu tun haben: Workshops mit Kunden, Dozieren, vor allen Dingen am SAWI und an der ZHDK und ein Projekt, das ich noch nicht nennen möchte.

Und das meinen die daheim gebliebenen Sophie Toth, Caroline Braun und Leoonardo Sanfilippo zur Rückkehr: Für uns verging das Jahr von Stefans Abwesenheit wie im Flug, sicher auch weil uns viele spannende Projekte auf Trab gehalten haben. Uns war bewusst, dass Stefan seinen Platz bei Shining erst wieder finden müssen wird.

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Wie aus einem Sabbatical eine Partnerschaft wurde

Bist du dir in Anbetracht dieser Erfolge nie ein bisschen überflüssig vorgekommen?
Stefan: Oh doch, und wie. Ich musste akzeptieren: Ein Unternehmen wie die Shining ist ähnlich einem Kind. Man gibt ihm Zeit sich zu entwickeln und begleitet es anfänglich sehr stark, zunehmend schwächer. Es lernt laufen und sogar fahren, kommt dann irgendwann zu dir und sagt: „Papa, ich brauche jetzt den Autoschlüssel. Du willst nicht wissen wohin ich fahre.“ Spätestens ab dann braucht es vor allen Dingen viel Vertrauen.

Wie hast du vor deiner Abreise sichergestellt, dass der Laden auch ohne dich funktioniert?
Als ich Sophie und Caroline eröffnete, dass ich mit meiner Familie ein Jahr Auszeit machen möchte, war Ihr Feedback sehr positiv und wir hatten das Glück, dass wir zu dieser Zeit Leo für unser Team gewinnen konnten.

Gab es Aufgaben, die Du nicht abgeben wolltest?
Mir war klar, dass dies ein All-In-Entscheid war. Ich würde alles abgeben müssen oder gar nicht gehen. Wir trafen die Abmachung, dass wenn sich eine aussergewöhnliche Aufgabe stellen würde oder ein Entscheid mit weitreichenden, das heisst auch finanziellen Konsequenzen zu fällen wäre, ich kontaktiert würde. Einen solchen Fall gab es aber nicht.

Was hast du während deiner Abwesenheit gelernt rund um das Thema „Vertrauen“?
Vertrauen wird mit grosser entgegengebrachter Wertschätzung belohnt.

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Sophie/Caroline/Leo: Das entgegengebrachte Vertrauen hat uns sehr geehrt, motiviert und basiert auf Gegenseitigkeit. Natürlich hat die Verantwortung auch einen gewissen Druck mit sich gebracht, was sicher zusätzlicher Antrieb war, alles möglichst gut zu machen.

Hast du nie befürchtet, die Kontrolle über das Business zu verlieren?
Stefan: Nein, denn ich wusste dass ich die Kontrolle ganz sicher verlieren würde. Ich war mir aber auch sicher, dass mir Caroline, Leo und Sophie helfen würden, die Kontrolle wieder zurück zu bekommen, wenn ich zurück bin. Und das taten sie.

Sophie/Caroline/Leo: Für uns war es wichtig, dass Stefan sich Zeit lassen und seinen Platz in unserem Kreis wieder dort einnehmen kann, wo er sich sieht. Ein Jahr Abstand von der Produktion gab ihm auch viel Zeit, über seine Ansprüche, Vorstellungen und Träume nach zu denken. Es wäre merkwürdig und schade gewesen, wenn diese nach der Rückkehr keinen Raum gefunden hätten. Wir haben uns viel ausgetauscht und wollen einander im Wachsen stützen. Nicht nur Stefan uns, sondern wir auch ihn.

Wie hast du vorgebeugt, dass das Verbindende nicht verloren geht?
Stefan: In der Situation, in der die Shining damals war, hatte Stabilität höchste Priorität. Es war wichtig, dass dieses Jahr ohne mich funktioniert – aber auch, dass es weiterhin funktionieren würde, wenn ich zurück sein würde. Wer arbeitet verdient eine Entlöhnung, wer es nicht tut verdient keine. So haben wir es gemacht.

Stefan-Bircher

Wie hast du die Geschäftsleitung auf ihre Aufgaben vorbereitet?
Die Aufgaben in den laufenden Produktionen waren schon längst verteilt, es waren vor allen Dingen strategische Aufgaben, die für Sophie, Caroline und Leo Neuland waren. Netzwerk-Angelegenheiten, HR- und Marketing-Aufgaben und Administratives. Wir nahmen uns für diese Übergaben Zeit und teilten sie unter den Dreien auf.

Hast du deine Stellvertreter von unterwegs auch kontrolliert?
Ich hatte dreimal Kontakt mit Shining während meiner Auszeit. Einmal ging es dabei um unser Sommerfest, einmal um unsere XMAS-Donation und einmal um ein Fachpresse-Interview. Von Kontrolle kann also keine Rede sein.

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Sophie/Caroline/Leo: Dass Stefan jederzeit für uns da wäre, hat uns Sicherheit gegeben. Aber wir wollten ihn auch möglichst aus dem Daily Business raus halten, damit er die verdiente Auszeit mit seiner Familie auch richtig nutzen konnte. Natürlich hätten wir ihn gerne am Sommerfest dabei gehabt, vor allem weil es zu gleich das 10-jährige Bestehen von Shining war. Aber Feste wird es noch viele geben, Gelegenheiten wertvolle Zeit mit der jungen Familie zu verbringen, weniger.

Gibt es Aufgaben, die man nicht übertragen kann?
Stefan: Man muss bereit sein zuzulassen, dass Arbeitskollegen Aufgaben anders angehen als man selbst. Man darf aber auch nicht überdramatisieren, ein Jahr ist keine unüberschaubar grosse Zeitspanne. Rechtlich gesehen sind die Prokura zu regeln. Ich wusste, dass die Miet- und Arbeitsverträge während meiner Abwesenheit unverändert weiterlaufen und alles Weitere stabil war. Die unveränderte Netzwerk-Situation mit der SEED von Felix Courvoisier und der Videoblink von Reiner Roduner war ein weiterer Garant für Stabilität.

Hast du entdecken dürfen, dass andere gewisse Aufgaben sogar besser erledigen, wenn sie ohne Führung arbeiten?
Ja, aber ich glaube das kommt sehr auf den Typ Mensch an. Sophie, Leo und Caroline sind Macher. Sie sind weder „Vielleicht“-Typen und noch rechthaberisch. Das macht sie entscheidungsfreudig. Wenn sich ihnen eine Aufgabe stellt, entscheiden sie selbst und tragen auch die Konsequenzen selber. Das waren sie aber schon, bevor ich weg war. In dieser Hinsicht haben sie sich meiner Meinung nach nicht verändert.

Kann man auch weit weg von seiner Firma seine Führungskompetenzen weiter entwickeln?
Weiter entwickeln schon, aber nicht anwenden.


Was hat sich seit deiner Rückkehr im täglichen Arbeitsablauf verändert?
Ich habe stärker als vorher strategische Aufgaben übernommen und bin dadurch etwas weniger in laufenden Produktionen involviert. Ich produziere immer noch selbst und gerne, aber ich merke, dass die Shining mich jetzt an anderer Stelle mehr braucht.

Was ist heute bei Shining neu?
Die Geschäftsleiter Sophie Toth, Leonardo Sanfilippo und Caroline Braun sind Partner geworden. Damit hat die Shining heute „vier Chefs auf Augenhöhe“. Ein Schritt, der dem während meiner Auszeit weiter angewachsenen gegenseitigen Vertrauen Rechnung trägt und zur anhaltenden Stabilität von Shining beiträgt.

Sophie/Caroline/Leo: Dieses Jahr hat uns als Team sicher zusammen geschweisst und auch wenn Stefan physisch nicht vor Ort war, so ist Shining doch sein Kind und wir drei die Patchwork-Familie. Diese hat sich nicht zuletzt durch diese Erfahrung zur soliden Freund- und Partnerschaft entwickelt.

Nur 10 Mails in einem ganzen Jahr

Ein ganzes Jahr bist du rund um den Erdball gereist. Was kannst du uns über diese Tour verraten?
Stefan: Wir flogen im Frühjahr 2017 los Richtung Singapur und landeten im Frühjahr 2018 wieder in Zürich. Unser Sohn war anderthalb als wir aufbrachen. Wir waren also langsamer unterwegs als früher. Wir hatten eine „Homebase“ in der Villa eines Freundes auf Bali, von wo aus wir einen grossen Teil Asiens sternförmig bereisten. Unser Sohn, der zu sprechen begann während wir unterwegs waren, bezeichnete das Haus irgendwann als „dihei“. Bevor der Monsun kam, zogen wir weiter nach Australien, Neuseeland und schliesslich nach Hong Kong. Unterwegs besuchten wir Projekte die uns am Herzen liegen und die wir unterstützen: skateistan.org und wildlifealliance.org

Stefan-Bircher

Wie hat deine Familie das ständige Zusammensein mit dir erleben dürfen?
Meine Frau arbeitet wie ich in der Werbung. Es war also für uns beide ungewohnt viel Zeit mit der Familie. Unterwegs hatten andere Fragen grosse Wichtigkeit. Ist das ein Malaria-Gebiet? Woher krieg ich Anibiotika? Gibt’s in der Stadt auch etwas Spannendes für Kids? Wo stell ich den Camper auf Notstrom? Brauch ich ein lokales Handy-Abo? Kann da jemand englisch? Viel Gewohntes und Eingespieltes mussten wir neu erfinden. Wir hatten uns entschieden „Out of our comfort zone“ sein zu wollen und hatten alle Hände voll zu tun damit. So sind wir als Familie zusammengewachsen.

Wie lange hat es gedauert, bis du dich von der Zürcher Werbewelt wirklich frei fühlen konntest?
Wenn ich mich richtig erinnere war es Juli, als ich das erste Mal vergas, welcher Wochentag heute ist.

Wann und wo ist der Zeitpunkt gekommen, wo du dich wieder auf dein Büro freuen konntest?
Als wir zurückkamen, lebten wir noch einige Wochen „unter dem Radar“. Unsere Familien wussten, dass wir zurück sind. Sonst hatten wir es niemandem gesagt. In dieser Zeit kam grosse Vorfreude auf die Shining auf.

Gab es unterwegs schon einen Punkt, wo du gespürt hast: Jetzt will ich wieder zurück?
Meine Kollegen feierten das 10-jährige Bestehen von Shining Pictures mit einem grossen Sommerfest, an dem ich sehr gerne dabei gewesen wäre. Das war aber auch der einzige solche Moment.


Wie oft hast du mit den Leuten in deiner Firma gemailt und telefoniert?
Ich meine, wir hatten dreimal geskyped und vielleicht insgesamt 10 Mails hin und her geschickt.

Hast du dich auch bei Kunden gemeldet?
Einigen hatte ich es im Vorfeld erzählt, dass wir für ein Jahr verreisen würden. Andere haben es vielleicht durch meine Kollegen oder meine Auto-Reply erfahren. Und nochmal andere wussten gar nicht, dass ich weg war.

Stefan-Bircher

Hast du unterwegs auch die verschiedenen Newsletter der Branche gelesen?
Ja, das habe ich tatsächlich, aber selten. Natürlich war ich gespannt, was die Shining so treibt und die Branchen-Newsportale mit ihren Suchfunktionen waren wie geschaffen dafür.

Wie war dein erster Arbeitstag nach einer so langen Auszeit?
An meinem ersten offiziellen Arbeitstag wollten wir uns zu einer zweitätigen Retraite zurückziehen – was damit endete, dass ich nach dem ersten Tag krank wurde und den zweiten Tag zuhause im Bett lag

©Interview: Andreas Panzeri

 

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